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Helga König im Gespräch mit Frau Petra Wagner

Sehr geehrte Frau Wagner, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Chiemgau- Handwerk, Design, Kunst, Tradition" rezensiert. Hierzu möchte ich ihnen einige Fragen stellen.

Helga König: Wie ich lese, leben Sie in Prien und wissen insofern, wovon sie schreiben. Hat Sie die Liebe zu dieser Region dazu veranlasst, das Buch zu verfassen?

Petra Wagner
Petra Wagner: Das Buch erscheint in einer Reihe des Neuen Umschau Buchverlags - mit meinen Büchern möchte ich die Region des Chiemgaus auch für andere erspürbar zu machen. Hier ist die Tradition und das Brauchtum noch sehr lebendig und besitzt einen großen Stellenwert; in diesem Zusammenhang wird auch das Wissen um alte Handwerkskünste hoch geschätzt. Ihnen sowie dem Brauchtum wollte ich dieses Buch widmen, gerade auch, weil mein vorheriges Buch den Blick auf einen innovativen Chiemgau gelegt hat, auf Häuser und Menschen, die Tradition und Moderne gekonnt verbinden.

Helga König: Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Handwerk, der Tradition, der Kunst und dem Design des Chiemgaus?

Petra Wagner: Mich fasziniert, mit welcher Leidenschaft die Handwerker zu Werke gehen. Sie fühlen sich der Ehre der einstigen Zünfte verbunden und verpflichtet, d. h. der guten ehrlichen Handarbeit, die stets noch das Quentchen mehr einbringt als nötig  wäre - damit es "nach etwas ausschaut", damit etwas geschaffen wird, auf das man noch nach Jahren mit Stolz blicken kann.  Dabei begeistert mich vor allem, wie manch "Quereinsteiger" sich mit viel Mühe und Geduld alte Handwerskünste angeeignet haben wie bspw. das Plissieren, das Federkielsticken oder Hirschhornschnitzen - das sonst verloren gehen würde.

Helga König: Hatten Sie Gelegenheit, in der "Neubauer Restaurierungswerkstätten GmbH" sich in die tägliche Arbeit der Diplom-Restauratoren zu vertiefen und wenn ja, welchen Eindruck hinterließ dies bei Ihnen?

Petra Wagner: Ich war bei allen Betrieben intensiv im Gespräch - die tägliche Arbeit liegt dabei nicht so sehr in meinem Fokus als vielmehr die Vision und das, was diese Menschen antreibt. All das versuche ich in meine Porträts einzuarbeiten.

Helga König: Sie berichten über so genannte "Klosterarbeiten". Beherrschen im Chiemgau noch viele Frauen diese Kunstfertigkeit oder gehört diese Handarbeit der Vergangenheit an?

Petra Wagner: Nein, diese Kenntnisse besitzen nur noch wenige. Ich musste sehr lange und intensiv suchen, bis ich die Dame oder auch den Herrn der Federkielstickerei gefunden habe. Sie tragen wirklich dazu bei, dieses Wissen zu erhalten. Diese Personen haben aus Liebe zur Tradition - wie auch der Messermacher oder der Trachtenschmuckhersteller - sich diese Fähigkeiten in mühevoller Detailarbeit selbst angeeignet, denn es gibt kaum noch Pesonen, die dies beherrschen. Viele von ihnen bieten nun ihrerseits in Kursen an, diese Fertigkeiten zu lernen.

Helga König: Halten die Chiemgauer der Touristen wegen die Tradition hoch oder steckt ein anderes Motiv dahinter?

Petra Wagner: Die Tradition ist hier durchaus lebendig, und zwar aus reiner Liebe zur Region und ihrer Tradition und ihrem Brauchtum. Die Zeremonien finden keineswegs wegen der Touristen statt - sie sind übers Jahr verteilt allerorten zu beochbachten, vom Maibaumaufstellen übers Kirtafest bis hin zu den Pferdewallfahrten - und nicht zu vergessen die bayerischen Hochzeiten, die hier auf ihre ganz besondere Art zelebriert werden.

Helga König: Ist es ein Statussymbol im Chiemgau, wenn die Trachtenjacken von besonders filigranen Schnitzeren geziert werden und wenn ja, wie äußern sich die Stautsunterschiede?

Petra Wagner: Einst dienten sie schon dazu, um zu zeigen, was man ist und hat. Je prachtvoller ausstaffiert, umso reicher der Bauer.Heute ist es eher die Liebe zum Brauchtum und natürlich die Wertschätzung der alten Kunsthandwerke, die damit symbolisiert wird.


Helga König: Können sich die einheimischen Dirndl-Trägerinnen mit modernem Dirndl-Design anfreunden?

Petra Wagner: Ja auch das, neben ganz traditionellen Trägerinnen kombinieren gerade die jungen Frauen auch modische Elemente damit oder kombinieren freche Stoffe. Sie alle erhalten damit ein wirklich schützenswertes Brauchtum, das noch dazu ganz wunderbar aussieht.

Helga König: Welchen Stellenwert hat das Dirndl bei jungen Chiemgauerinnen?

Petra Wagner: Ich denke, jede Chiemgauerin hat mehrere Dirndl - zur Rosenheimer Wiesn ist die ganze Region in Tracht zu sehen. Ein wirklich sehenswertes Ereignis, das niemand versäumen sollte, der sich zu dieser Zeit hier aufhält. Sie findet genau die zwei Wochen vor der Münchner Wiesn statt und ist das kleine Pendant dazu, nur noch authentischer.

Helga König: Ist die Lüftlmalerei im Chiemgau ein Handwerk mit Zukunft?

Petra Wagner: Die Häuserfassaden werden nach wie vor gern mit Malereien verziert. Dazu müssen die althergebrachten Motive ja auch immer wieder mal aufgefrischt werden.

Helga König:  Mich hat der kurze Bericht über den Kirchenmaler und Restaurator Johannes Klinger begeistert. Hatten Sie Gelegenheit Herrn Klinger (ein Mensch, der auf mich ungeheuer offen und sympathisch wirkt) bei der Arbeit zuzuschauen und wenn ja, welche Eindrücke hatten Sie?

Petra Wagner: Wie auch von den anderen Personen im Buch war ich auch von ihm sehr angetan - seine Arbeiten überzeugen und auch als Mensch ist er absolut interessant. Er besitzt eine kleine Galerie in Aschau, an die sich Interessierte wenden können.


Herzlichen Dank für das Interview, liebe Frau Wagner.
Ihre Helga König

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