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Helga König im Gespräch mit Angelika Schweizer

Liebe Frau Schweizer, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Mein Weg zu Dir" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Was bedeutet für Sie Achtsamkeit im Hinblick auf Reitpferde?

Angelika Schweizer: Hätten Sie mir diese Frage vor 3 Jahren gestellt, so wäre mir dazu keine Antwort eingefallen, da ich mich vor meinem schweren Unfall mit diesem Thema zu keinem Zeitpunkt befasst habe. Um eine harmonische Beziehung mit meiner Stute Etienne führen zu können, bin ich eigentlich gerade zu zur Achtsamkeit gezwungen worden. Mir war klar, dass ich mit meiner inneren Unruhe, die ich auch noch Monate nach meinem Unfall in mir trug keinen Neuanfang mit meiner Stute wagen konnte. Ich suchte deswegen nach einem Weg, wie wir beide miteinander täglich eine Auszeit nehmen könnten. Dabei bin ich auf die Idee gekommen, zusammen mit meinem Pferd jeden Tag 1 Stunde Entspannungsmusik in unserer Reithalle zu hören. Der Versuch gab mir Recht. Es ist für uns beide täglich eine Stunde, die nur wir beide völlig ungestört von äußeren Einflüssen zusammen genießen und hieraus Kraft schöpfen. Ohne mein Pferd, wäre ich auch heute noch ein Hamster im Laufrad.

Helga König: Welche Erkenntnisse haben Ihnen Ihre Studien in Tierpsychologie gebracht?

Angelika Schweizer: Mir wurde durch dieses Studium klar, dass ein sehr großer Teil unserer Pferde nicht artgerecht gehalten werden. Ein Pferd in freier Natur bewegt sich nahezu den ganzen Tag im Schritt und nimmt dabei Nahrung auf. Der Alltag vieler Pferde sieht aber so aus, dass diese bis zu 23 Stunden in kleinen Boxen verharren und dann eine Stunde auf Vollgas geritten werden. Oftmals sind die Boxen so klein, dass kaum ein Drehen des Pferdes möglich ist oder der Sichtkontakt zu Artgenossen nicht vorhanden ist. Pferde haben bestimmte Grundbedürfnisse, dazu gehören u.a. Licht, Bewegung und Sozialkontakt, täglicher Weidegang im Sommer und auch im Winter. Werden diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt, zeigen viele Pferde Verhaltensauffälligkeiten, die für den Mensch zu einer ernsten Gefahr werden können, wie beispielsweise Aggression.

Helga König: Was geben Ihnen Ihre Pferde, das Menschen Ihnen nicht schenken können?

Angelika Schweizer: Meine Pferde gehen offen und ehrlich mit mir um. Sie zeigen mir genau was ihnen gefällt, sie zeigen mir aber genauso gut, wenn ich Fehler mache. Die Beziehung zu meinen Pferden ist nicht oberflächlich, sie geht in die Tiefe, was im Umgang mit anderen Menschen meist nicht der Fall ist. Wer interessiert sich denn wirklich für seinen Nächsten? Die meisten Gespräche sind belanglos und könnten auch genauso gut nicht geführt werden. Durch andere Menschen entwickle ich mich nicht nach vorne, durch meine Pferde schon. 

Helga König: Hat sich durch den Umgang mit den Pferden Ihr Freundeskreis verändert?

Angelika Schweizer: Wenn schon, dann kann ich überhaupt nur von meinem Bekanntenkreis sprechen, denn an echte Freundschaft unter Menschen glaube ich nicht. Dieser Bekanntenkreis verringert sich, was aber meines Erachtens nicht unbedingt am Umgang mit meinen Pferden liegt, sondern in der Tatsache begründet ist, dass ich nunmehr zusammen mit meinen Pferden auf einem Anwesen leben darf, das für viele von diesen Bekannten ein ewiger Traum bleiben wird. Ich spüre schon, wie uns der Neid entgegenschlägt. Auch ein rein menschlicher Zug, den man bei Tieren nie erleben würde.

 Helga König: Welchen Rat würden Sie Reitlehrern geben?

Angelika Schweizer: Reitlehrer sollten sich klar darüber werden, dass sie es mit einem Lebewesen zu tun haben, welches Respekt und Achtung verdient. Daher gehören Ausbinder, scharfe Gebisse, Sporen usw. nicht zum Arbeitsmaterial eines Reitlehrers. Dementsprechend sollte den Reitschülern auch niemals der Rat erteilt werden, solches Ausrüstungszeug selbst zu verwenden. Viele Reitlehrer – so leider meine Erfahrungen – verstehen nicht viel von „horsemanship“ und reiten daher auch mit viel zu viel Druck, diese Reitweise bringen sie dann auch den Reitschülern bei. Bei vielen Pferden allerdings – so auch bei meiner Stute – führt dieser Druck zu Aggression. Weiter verstehen sehr viele Reitlehrer auch nichts von der Biomechanik eines Pferdes, so dass Sie gar nicht wissen, welche ihrer Bewegungen beim Pferd was auslöst. Würden Sie dies verstehen, könnten viele Pferde gänzlich ohne Druck gearbeitet werden und wären dabei viel williger. Gott sei Dank, gibt es noch ein paar solcher Reitlehrer, die all diese Aspekte beherrschen und dazu beitragen können, dass Pferde auch wieder Spaß am Reiten haben. Ich habe jetzt eine solche Lehrerin gefunden, es hat aber 9 Jahre gedauert.

Helga König: Nehmen Sie die Natur anders wahr, seit Sie reiten und falls ja, was sehen Sie, was Sie früher nicht wahrgenommen haben?

Angelika Schweizer:  Die Natur habe ich seit eh und je intensiv wahrgenommen, da ich seit vielen Jahren immer einen Hund habe, mit dem wir viel in die Natur gehen. Was ich aber mittlerweile beim Ausreiten verstärkt wahrnehme sind hektische Menschen hinterm Steuer, die viel zu schnell um die Kurven fahren und eine Ungeduld an den Tag legen, um an einem Pferd vorbeizureiten, selbst hier auf dem Land ist das so. Ich frage mich dann immer: Ist diese sich immer schneller drehende Welt wirklich gut für uns? 

Helga König: Was halten Sie von Pferdeflüsterern? 

Angelika Schweizer: Ich halte den Begriff „Flüsterer“ schon im Ansatz für falsch. Dieser Begriff hat für mich etwas „Übersinnliches“, so als müsse man besondere Fähigkeiten haben, um mit einem Pferd kommunizieren zu können. So ist das aber gar nicht. Wer bereit ist, sich intensiv mit seinem Pferd auseinanderzusetzen, wird durch Beobachtung, dem Ausloten von bestimmten Vorlieben und der Bereitschaft seinen ganz persönlichen individuellen Weg mit seinem Pferd zu gehen, automatisch zum „Pferdeflüsterer“ werden. Wichtig dabei ist, dass Sie selbst in Balance sind und stets ruhig und gelassen bleiben. Mit all meinen Erfahrungen, die ich heute mit meiner Stute habe, könnte ich mich durchaus auch als „Pferdeflüsterer“ bezeichnen. Von einem „Pferdeflüsterer“ kann man vielleicht einen Impuls erhalten, der den Stein in Richtung harmonische Beziehung ins Rollen bringt, der Rest liegt aber an einem selber. 

Helga König:  Wie erklären Sie sich die hohe Sensibilität von Pferden? 

Angelika Schweizer: Auch hier wird es natürlich – ähnlich wie beim Menschen – unterschiedliche Ausprägungen geben. Mein persönlicher Eindruck ist aber, dass sich das Pferd hier ein wenig an seinem Menschen orientiert, zu dem es gehört. So ist das zumindest bei meiner Stute „Etienne“. Sie hat sehr viele Charakterzüge, die auch ich habe, so auch die hohe Sensibilität. Ich kenne aber auch Pferde, denen jegliche Sensibilität abhanden gekommen ist, wahrscheinlich aber nur deshalb, weil sie im Laufe der Zeit begonnen haben zu resignieren. Ich fürchte aber auch, dass dies eine Art Selbstschutz ist, denn würden diese Pferde es zulassen, sensibel zu sein, könnten sie ihr Dasein – beispielsweise nur als Sportgerät zu dienen – gar nicht ertragen. 

Helga König: Wann wird ein Pferd zum „Sportgerät“? 

Angelika Schweizer:  Eine pauschale Antwort bzw. eine Grenze lässt sich hier wohl kaum ziehen. Für mich gilt ein Pferd immer als „Sportgerät“, wenn man es darauf reduziert nur geritten zu werden. Wenn es sozusagen gegen einen Golf- oder Tennisschläger austauschbar wäre. Zu meinem Leidwesen sind solche Sportgeräte nicht nur im Turniersport zu finden, sondern auch in zahlreichen Reitställen. Hier habe ich schon oft gesehen, wie dort Pferde nach Feierabend aus der Box geholt werden und auf ihnen nur geritten wird, anstatt sich zusammen mit seinem Pferd einfach nur einmal auf eine Wiese zu setzen und es zu beobachten. 

Helga König: Was halten Sie von den brachialen Trainingsmethoden von Turnierpferden? 

Angelika Schweizer:  Da ich ja der Ansicht bin, dass Pferde eigentlich gar nicht geritten werden wollen bzw. nicht täglich, können Sie sich vorstellen, was ich von diesen Methoden halte. Ich würde mir wünschen, dass solche Methoden gänzlich untersagt und unter Strafe gestellt würden. Solange es aber dabei bleibt, dass Tiere nach dem Gesetz lediglich analog einer Sache behandelt werden, kann die Strafe für solch dem Tier gegenüber unwürdiges Verhalten nicht sonderlich hoch ausfallen, mit der Konsequenz, dass diese Methoden nicht aufhören werden. Bei dem Gedanken, dass es sich hierbei lediglich um eine Sachbeschädigung handelt, wird mir ganz schlecht. Ich wünsche all diesen Pferden, die unter solchen - für mich abscheulichen Bedingungen – leben müssen, dass es ihnen im Laufe ihres Lebens noch vergönnt sein möge, solche ein würdiges, artgerechtes Leben führen zu können wie meine Stute Etienne. Pferde sind für mich würdevolle, anmutende Tiere, die ein Recht auf ein solches Leben haben.

Liebe Frau Schweizer,  danke für das erhellende Interview.

Ihre Helga König

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2 Kommentare:

  1. Hallo Frau Schweizer
    ich freue mich,dass es noch mehr Menschen gibt, die mit einem Buch an die Öffentlichkeit gehen, um ein wenig anderen Menschen die Augen zu öffnen.

    Herzliche Grüße Susanne Meyer

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  2. Der Bericht spricht für sich! Stimme allem 100%ig zu! Das Pferd hat sich im Laufe der letzten Jahre "hochgearbeitet!" Stand es doch vor gar nicht allzulanger Zeit nur in Ständern! Doch der Turniersport wird immer härter, leider! Sprich: Rollkur! und anderes! Karen Hennings

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