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Peter J. König im Gespräch mit Prof. Dr. Gertrud Höhler

Sehr verehrte Frau Prof. Dr. Höhler, dieser Tage  habe ich Ihr Buch „Die Patin“ rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen. 

Peter J. König: Angela Merkel ist ja mittlerweile 7 Jahre als Bundeskanzlerin im Amt, seit welchem Zeitpunkt konnten Sie feststellen, dass Sie Ihren Führungsstil so entwickelt hat, wie in Ihrem Buch dargelegt?

Gertrud Höhler bild: Udo Grimberg Chester100 
Prof. Dr. Gertrud Höhler: In meinem Buch gibt es ein Kapitel „Planwirtschaft der Werte- Das System M entsteht“ (S.69ff). Ich nenne Merkel dort „werte-immun“ und erkläre, dass diese „Unbeschwertheit“ sie schneller macht als alle andern. Gewissen bremst; man hält inne fragt sich: darfst du das? Das Guttenberg-Beispiel zeigt den Gegensatz: Merkel erklärt leichthin, dass sie den Mann doch gar nicht auf dem Sektor einstellen will, wo er den Betrug begangen hat, sondern dass sie ihn als Verteidigungsminister großartig findet. In der anschließenden Parlamentsdebatte (Aktuelle Stunde) bestehen SPD, Grüne und Linke auf Werthaltungen, die Merkels CDU in Gestalt der Kanzlerin soeben zur Disposition gestellt hat. Viele CDU- Mitglieder ballen die Faust in der Tasche.

Peter J. König: Hat die Tatsache, dass die Kanzlerin sich nicht eindeutig auf politische Ziele festlegen will, auch mit der Veränderung des Koalitionspartners zu tun oder ist dies ausschließlich ihrem Machterhalt geschuldet?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Es geht umgekehrt: Die Kanzlerin wollte die kleine, 2009 wegen zahlreicher Wählerwünsche für dieses Bündnis angeschwollene liberale Partei als pflegeleichten Partner. Der Koalitionsvertrag wurde hastig zusammengeschustert; das Hauptversprechen darin, Steuersenkungen, war von Anfang an auf Merkels Abschussliste. Die Liberalen sind die einzige Partei, bei der das „Ideenleasing“ der Kanzlerin aussetzt; sie meidet die freiheitlichen Konzepte. 

Peter J. König: Wie ist es möglich, dass Frau Merkel sich fast blitzartig an die Spitze der CDU manövrieren konnte, als Folge ihrer Stärke oder als Ergebnis der Schwäche der Partei?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Es ist eine bis dahin in der West-CDU unbekannte Art der Stärke, die ihre Kollegen handlungsschwach macht. Sehr einfach gesagt, konnte Merkel sich durchsetzen bis zur Kanzlerschaft, weil sie es am entschiedensten wollte. Aber es waren und sind auch ihre Methoden, die lähmend auf ihr Umfeld wirken: Sie straft, wenn einer zu mutig denkt und redet. Sie hat keinen Respekt vor Rechtsnormen und liefert daher riskante Entscheidungen, die den Widerspruch sofort ersticken- siehe Energiecrash und europäische Gesetze im Zuge der „ Eurorettung“: Geldtransfers vor Rechtssicherheit, heißt das Konzept. Ihre Anhänger folgen erschrocken und zwiespältig. 

Peter J. König: Beleuchten Sie bitte einmal das Verhältnis von Helmut Kohl und Angela Merkel, stellen Sie dabei Parallelen im Führungsstil beider Politiker fest und hat Frau Merkel Wesentliches von ihrem Ziehvater übernommen? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Merkel sagt ja ab und zu, sie habe viel von Kohl gelernt. Der Vergleich hat aber eine gestörte Balance, weil Kohl in einem Wertekonsens mit den bürgerlichen Parteien handelte, der in der Verfassung wurzelt. Unter Merkel begann die Debatte, man müsse die Verfassung ändern, weil sie so oft im Wege steht. Nie wurde das Verfassungsgericht so häufig angerufen wie in Merkels Kanzlerzeit. Merkel kultiviert ein autoritäres Schweigen, sie bleibt unberechenbar, sie cancelt fast wöchentlich führende Positionen nach dem Motto: alles ist relativ. Ich kann heute nicht sagen, wo Ihr mich morgen antrefft.

Peter J. König: Beharrlichkeit allein kann den Erfolg der Kanzlerin nicht ausmachen, spielt nicht auch die These, „allen wohl keinem weh“ eine Rolle? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Ja, aber auf bis dahin nie gesehene Weise. Merkel bringt nie schlechte Nachrichten. Sie bringt auch nie belastbare Nachrichten, auf die man sich später berufen kann. Ihre Auftritte sind ein ständiges Abwiegeln. Sie ängstigt die Bürger nicht. So entsteht Arglosigkeit, die für positive Umfragewerte bürgt. 

Peter J. König: Glauben Sie tatsächlich, dass das Demokratieverständnis bei Angela Merkel mittlerweile einen so untergeordneten Stellenwert erreicht hat, dass ausschließlich machtpragmatische Entscheidungen zählen und könnte dies auf ihr Amt zurückzuführen sein? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Es gibt viele Anzeichen dafür, dass Frau Merkel, wäre sie nicht eine taktische Schweigerin, sagen würde: Das sind keine Zeiten mehr für eine Demokratie alten Zuschnitts. Wir müssen zentralisieren, Parteienkontraste auslösen, immer mehr Allparteienbeschlüsse haben, damit praktisch jedes Wählerergebnis die Fortführung der Regierung Merkel zulässt. Diese Variante von politischen Strukturen wirkt lähmend auf den Wettbewerb der Parteien, der in unserer Verfassung gewünscht ist. Parallel lähmt der staatliche Zugriff immer größere Bereiche der Wirtschaft. Die Verstaatlichung der Energieindustrie bringt den Herzschlag des zentralen Wohlstandsgenerators, der Energiewirtschaft, aus dem Takt. Der nächste Schritt ist der Zwangsbetrieb von Verlustbringern im Sektor Kraftwerke. 

Peter J. König: Weiterhin stellt sich die Frage: hat die Demokratie für die Kanzlerin jemals einen besonderen Stellenwert gehabt oder bot das System ihr nur eine exzellente Aufstiegsmöglichkeit, gerade weil diese neue Demokratieerrungenschaft für sie zumindest flexibel handhabbar ist? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Ihre Frage zielt auf diese eben skizzierte. Die Großkonzerne werden mit Subventionsversprechungen an die Kette gelegt; die Strompreise steigen ungehemmt, auch weil technologische, insbesondere physikalische Fehleinschätzungen nicht korrigiert werden. Die Planwirtschaft der Werte hat die Planwirtschaft der Politik und die Staatswirtschaft infiziert: Wo Eigentumsrechte (Verfassungswerte!) vom Tisch gefegt werden, Verträge gekippt werden, politische Willkür und Machterhalt als Ersatzziel die Verantwortung in der sozialen Marktwirtschaft verdrängen, da wandern Unternehmen ab und werden Leistungsanreize außer Kraft gesetzt. Nicht mehr die beste und preisgünstigste Lösung setzt sich durch, sondern die bleierne Hand des Staates bremst den Wettstreit der Besten aus. 

Peter J. König: Sie zitieren zu recht den neuen Bundespräsidenten Gauck, was können wir aus diesem speziellen Verhältnis dieser beiden aus dem Osten kommenden Politiker entnehmen und wie ist jeder von ihnen mit den neuen Freiheiten umgegangen? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Wir haben hier ein Lehrstück, das uns den denkbar größten Kontrast liefert: Gauck folgert aus der Diktatur, das ohne Freiheit alles nichts ist. Merkel hat zweimal alles aufgeboten, um Gauck zu verhindert. Er sei "für die CDU nicht wählbar!", war ihr Befehl, auch beim zweiten Mal. Die liberale Partei erkannte ihre Stunde und erzwang, mit der Opposition zusammen, Gaucks Wahl. Dieses Gegensatzpaar an der deutschen Staatsspitze hat den letzten Satz meines Buches, der eine Mahnung sein soll, bestimmt „Wir können wählen“.

Peter J. König: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung unseres Staates, zumal wenn Frau Merkel auch die nächste Große Koalition anführen sollte und wie wird es dann um unsere politische Landschaft in der Zukunft bestellt sein? 

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Keiner kann das wissen. Wann die Große Koalition kommt, hängt viel von den Personen ab, die von der SPD mitwirken. Aber auch auf Seiten der CDU sind je nach Wahlausgang neue Positionierungen bekannter Spieler/innen möglich. Strebt die Kanzlerin weiter nach oben, dann mischen sich die deutschen Karten neu. 

Peter J. König: Interessant ist zu hören, wie Ihr Verhältnis zu Frau Merkel sich nach ihrem neuen Buch entwickelt hat oder gibt es keine stärkeren kommunikativen Bindungen zwischen diesen beiden Alphadamen?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Wenn man sich mit einer Machtpolitikerin gründlich beschäftigt, entsteht immer auch eine große Nähe. Ich sehe die kleinen, losgelösten Momente, in denen sie sich ein unbeschwertes Lächeln gestattet. Ich sehe den Ernst des Mädchens Angela, wenn sie eine Parade abschreitet. Oft denke ich: Man müsste ihr alles sagen können, was sie verloren gibt, weil sie in eine neue Zeit will; müsste sie bitten können, einen Augenblick zu überlegen, ob wir nicht doch brauchen, was Kulturen stark und überlebensfähig macht: dass wir uns aufeinander verlassen können. 

Liebe Frau Prof. Dr. Höhler, ich danke Ihnen herzlichst für dieses aufschlussreiche Interview. 

Ihr Peter J. König 

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