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Helga König im Gespräch mit Nicola Bardola

Lieber Nicola Bardola, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Yoko Ono" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Was hat Sie, lieber Herr Bardola, dazu veranlasst, ein Buch über Yoko Ono zu schreiben?

Nicola Bardola
Foto: Helga König 
Nicola Bardola: Mit elf Jahren habe ich 1971 mit meinem vermutlich ersten Taschengeld die Single „Mother“ von John Lennon gekauft. Auf der B-Seite befindet sich das Stück „Why“ von Yoko Ono. Ich war wohl einer der wenigen, der die B-Seite so oft gehört hat wie die A-Seite. Ich fand damals als Kind und bis heute Yokos Frage und ihr Schreien so passend zu Johns Verzweiflung. Das Paar faszinierte mich fortan und vor einigen Jahren schrieb ich eine Biografie über John Lennon und jetzt eine über Yoko Ono, deren Wirken mich bis heute begleitet. Ohne die Yoko-Bio hätte ich A gesagt ohne B zu sagen.

Helga König:  War es schwer, an Informationsmaterial heranzukommen und hatten Sie Gelegenheit, sich mit Menschen, die Yoko Ono gut kennen, über deren Art sich zu verhalten auszutauschen und wenn ja, waren die Wahrnehmungen von allen deckungsgleich?

Nicola Bardola: Ich habe mit mehreren Menschen gesprochen, die Yoko Ono gut kennen. Yoko entzweit die Gemüter. Man bekommt viele negative Ansichten v.a. in alten Dokumenten. Je näher man bei der Gegenwart ist, desto ausgewogener und respektvoller werden die Kommentare. Es gibt viel Material über Yoko. Für meine Arbeit habe ich auch sehr entlegene Quellen verwendet, u.a. die autobiographischen Schriften Yokos aus den 1970er Jahren, die in Japan beim Verlag Kodansha unter dem Titel „Just me!“, aber nie auf Englisch oder Deutsch erschienen sind.

Helga König:  Pattie Boyd, Gattin und Muse von George Harrison und Eric Clapton, sagt, wie Sie schreiben, dass Yoko angstfrei ist. Was meinen Sie, womit dies zusammenhängt und vor allem wie äußert sich das bei Yoko Ono für andere nachvollziehbar?

Nicola Bardola:   Ich glaube, jeder Mensch kennt Angst, auch Yoko. Patties Aussage mag damit zusammenhängen, dass Yoko wohl einen sehr starken Willen hat und oft sehr genau weiß, welches ihre nächsten Schritte sein werden. Yokos Entscheidungen, die künstlerischen wie die privaten und auch die geschäftlichen, erweisen sich aus der Rückschau sehr oft als erstaunlich klug und richtig. Denken Sie nur an Yokos globales „Smile“ Projekt - in den 1950ern konzipiert und heute aktueller denn je.

Helga König:  Wie hoch schätzen Sie den Einfluss von John Cage auf Yoko Ono ein?

Nicola Bardola
Foto: Langen Müller
Nicola Bardola: Oft spricht man von Yoko Ono als John Cages Schülerin. Aber John Cage hatte auch ein vitales Interesse an Yoko Ono. Sie konnte ihm originär die japanische Kultur näherbringen. Denken Sie an die 1962 in Kyoto entstandenen Fotos: Peggy Guggenheim und John Cage lassen sich von der Fremdenführerin Yoko Ono Zen vor Ort erklären. Und denken Sie an das konkrete Gedicht, das John Cage Yoko gewidmet hat:
 Coolest guY
                wOman
     living haiKu
                 dOing
                 vOice
                   Never
             befOre

Helga König:  Wurde Yoko Ono durch die Kunst, Musik und Happeningszene in New York in der 1960er Jahren zu der Frau, die das Interesse John Lennons wecken konnte?

Nicola Bardola: Yoko fand in New York Kunstformen vor, die ihre eigene Entwicklung beschleunigten. Avantgarde, Grenzerweiterung, Tabubruch und vor allem die Idee des Konzeptionellen, des Partizipatorischen und des Unfertigen in der Kunst faszinierten Yoko in New York und später John Lennon in London, der im Beatles-Korsett steckte, als er Yoko kennenlernte. Die Disposition beim Beatles Gründer war in vielfacher Hinsicht da: Er hatte ja in Liverpool nicht etwa ein Konservatorium, sondern die Kunsthochschule besucht. 

Helga König: Gibt es eine Kunstform, die über Jahrzehnte hinweg typisch für Yoko Ono ist?

Nicola Bardola:  Fluxus. Fluxus fließt weiter. Beim Konzert von Yoko Ono und der Plastic Ono Band am 17. Februar 2013 in Berlin sagte Sean Ono Lennon „Give Peace A Chance“ einleitend: „Auch dieser Song ist Fluxus. Die Verse zwischen dem Refrain werden andauernd verändert“.

Helga König:  Rein hypothetisch: Wie hätte sich Yoko Ono nach Ihrer Meinung vermutlich weiterentwickelt, wenn Sie John Lennon nicht kennen gelernt hätte?

Nicola Bardola: Vielleicht hätte sie sich nicht an Popsongs versucht. Das wäre ein Jammer gewesen. Wir hätten heute keine Remixe ihrer alten Lieder, die zu Dance Club Hits werden. Und der Song „The Sun Is Down“ auf ihrem letzten Album „Between My Head And The Sky“ ist schon in der Originalversion ein Hit.

Helga König:  Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Yoko Onos Erfahrungen mit den Atombomben im 2. Weltkrieg und ihren Friedenbotschaften?

Nicola Bardola:  Der Zweite Weltkrieg ist ein wichtiger Grund für Yoko Onos und John Lennons Sehnsucht nach Frieden. „War is over if you want it“ ist heute noch so akut wie damals.

Helga König:  Worum geht es Yoko Ono bei Ihren Vorstellungen von Liebe ganz konkret?

Nicola Bardola:  In München 2012 sagte sie zum Thema „All you need is love“: „Es ist wahr. Das ist alles, was du wirklich brauchst … Wir denken ständig an all diese wichtigen Dinge und sind in Sorge, nicht genug Energie zu haben …“ Sie machte mit ihrer Hand eine ausholende Bewegung hinab zum Bauch und wieder hinauf: „Wir müssen zunächst darauf achten, dass unsere eigene Energie fließt. Und das ist Liebe.“

Helga König:  Wieso wurde Imagination und Wünschen zum Leitmotiv von Onos Kunst?

 Nicola Bardola
Foto: Helga König
Nicola Bardola:  Das Kriegsende verbrachte Yoko Ono in Japan auf dem Land mit ihrer Mutter und ihren kleineren Geschwistern. Als das Leiden zu groß wurde, blickte der Teenager in den Himmel und aktivierte seine Vorstellungskraft. Sie empfand die positive und heilende Wirkung als so stark, dass Yokos „Wish Tree“ und Yokos poetischer Imperativ „Imagine“ bis heute wirken.

Helga König:  Mit welchem Youtube-Clip von der Künstlerin Ono sollten wir das Interview beschließen?

Nicola Bardola: Zum Beispiel Yoko und Lady Gaga live im Februar 2010 mit Yokos Blues „It’s Been Very Hard“ (ab Minute 06:30 liegend auf dem Flügel...) http://www.youtube.com/watch?v=AimU35Qoceg

Lieber Nicola Bardola, ich danke Ihnen  herzlich für das aufschlussreiche Interview.
Helga König

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