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Helga König im Gespräch mit der weißrussischen Malerin Alesia Verenich

Liebe Alesia Verenich, heute möchte ich Sie und Ihr künstlerisches Schaffen den Lesern von "Buch, Kultur und Lifestyle" vorstellen. Dazu möchte ich einige Fragen an Sie richten.

Helga König: Wie definieren Sie den Begriff Kunst?

Alesia Verenich
Foto aus ihrem Bestand
Alesia Verenich: Kunst geht über den rein ästhetischen Aspekt weit hinaus, Sie ist Spiegel der Gesellschaft und der in dieser stattfindenden Veränderungen.

Kunst kann eigenen Entwicklungen folgen, sowie auf einem erreichten Stil verharren, um einen ihr eigenen Ausdruck zu vermitteln. Hierzu stehen ihr die verschiedensten Ausdrucksformen zur Verfügung.


Kunst soll eine Reflektion des Lebens sein und den Betrachter zum kritischen Dialog einladen. Kunst soll hinterfragen und bewegen, aber vor allem soll Sie begeistern.


Helga König: Können Sie den Lesern von „Buch, Kultur und Lifestyle“ etwas  über Ihre Kindheit und Jugend berichten und wann Sie zu malen  begonnen haben?

Alesia Verenich: Ich wurde 1976 in der Stadt Vitebsk in Weissrussland (ehem. UdSSR) geboren. Meine Heimatstadt war Wirkungsstätte von Künstlern wie Marc Chagall, Kandinsky und Malevich.

Schon während meiner Kindheit erhielt ich privaten Malunterricht von Malern und Professoren der Vitebsker und Petersburger Schule, die mit meinen Eltern befreundet waren.

Besuche in den Museen meiner Heimatstadt und in St. Petersburg vertieften mein Interesse an der Kunst. Sehr froh bin ich über den Umstand, dass meine Lehrer mir in Bezug auf die Malerei ein großes Maß an Entwicklungsfreiheit ließen, so dass ich mich schon früh selbst entwickeln konnte, ohne zu früh eine stilistische Prägung zu erfahren.

Während meiner Jugend kam es dann zum Zusammenbruch der Sowjetunion und mein Land wurde „frei“. Die 90er Jahre waren eine Zeit des Umbruches, des Chaos, der Entbehrungen und der Hoffnung. Der Zustand permanenter, allumfassender Veränderung; die Suche nach Ordnung und Harmonie prägten mich in dem Maße, dass ich hierin meine künstlerische Thematik von Chaos & Veränderung fand. Diese Zeit prägte doch in meiner Heimat eine ganze Generation.

Helga König: Wer waren Ihre Lehrer und inwiefern beeinflussten diese Sie in Ihrem  Stil? 

Alesia Verenich: Meine Lehrer ließen mir auch in meiner Jugend weitgehende Freiräume. Sie halfen dort, wo es nötig war, ließen mir jedoch weitestgehend einen großen freien Raum für eigene Entwicklung. Grundsätzlich muss ihnen dieses sehr schwer gefallen sein, denn erst später lernte ich, wie sehr ein Künstler durch die eigene Schule kanalisiert und geprägt wird.

Letztlich entschied ich mich aus diesem Grund gegen ein Studium, denn die Vitebsker Schule ist bis heute dem Konstruktivismus verschrieben und die Kunsthochschule in Minsk lehrt einen eher klassischen Stil. Beides kam für mich nicht mehr in Frage, da ich meinen eigenen Stil bereits erahnte / fand und dieser nicht zu den mir offen stehenden Optionen passte. Somit entschied ich mich als „bewusster Autodidakt“ zu arbeiten. Das Technische hatte ich ja bereits gelernt, nur die künstlerische Freiheit hätte ich in einem Studium nicht finden können.

Helga König: Was hat Sie veranlasst, nach Deutschland überzusiedeln und hat sich Ihr Stil seither maßgeblich verändert?

Alesia Verenich: Ich zog im Jahr 2000 aus familiären Gründen nach Deutschland. Die ersten Jahre waren eine Phase künstlerischer Leere und Schaffenslosigkeit, galt es doch zuerst, sich in einem „fremden“ Land einzuleben und die verschiedenen Eindrücke und Erfahrungen aufzunehmen.

Erst mit meinem Umzug nach Hannover im Jahre 2005, wurden Inspiration und Motivation wieder neu erweckt. Ein Künstler ist für seine Umgebung wie ein Seismograph. Wie mit feinen Antennen wird die
Umwelt wahrgenommen und das Wahrgenommene künstlerisch umgesetzt. Natürlich veränderte sich in dieser Zeit auch mein Stil. Vielleicht ist mit Künstlern wie mit guten Weinen, manchmal brauchen Sie eine Phase der Ruhe, um zu reifen.

In meiner hannoverschen Phase entstanden Werke, schwankend zwischen Figürlichkeit und reiner Abstraktion, wobei die reine Abstraktion mehr und mehr mein Werk bestimmte.

2010 erfolgte dann mein Umzug nach Leipzig, was für meine Malerei einen Quantensprung darstellte.

Leipzig ist ebenso zerrissen, wie die Seele eines Künstlers. Aufbau und Niedergang, Werden und Vergehen finden nebeneinander, teils symbiotisch, statt. Die permanente, scheinbar chaotische, Veränderung ist mir eine ständige Quelle der Inspiration. Wie kein Ort dem anderen gleicht, so verändert sich auch der künstlerische Ausdruck / Stil; reagiert auf die Umgebung.

Ein Vergleich der aktuellen Werke mit den früheren macht dieses sofort greifbar. Man erkennt, dass ich auch künstlerisch angekommen bin und sich mein Stil gefestigt hat.

Helga König: Welche Farben und Materialien bevorzugen Sie für Ihre Kunst?

Alesia Verenich: Leinwände, Karton und Acrylfarben. Manchmal suche ich jedoch auch selbst Material zum Mischen der Farben. Unter anderem faszinieren mich Farbe und Struktur von Rost, den ich in zukünftigen Werken stärker einsetzen will, ist er doch Zeichen von Zerfall und Transformation zugleich.

Helga König: Spielen bestimmte Gedanken in Ihrer abstrakten Malerei eine Rolle und falls ja, um welche handelt es sich hierbei?

Alesia Verenich: Jeder ernsthafte, über das rein Dekorative hinausgehende, Künstler, sollte eine künstlerische Thematik besitzen, die klar ausdrückt, womit er sich in seiner Arbeit auseinandersetzt und was er mit seiner Arbeit vermitteln will.

Meine künstlerische Thematik ist Chaos und Veränderung. Alles um uns herum ist einem steten Zyklus der Veränderung unterworfen. Teils geordnet, teils scheinbar chaotisch.

Leben und Gesellschaft sind ebenfalls in einem Kreislauf von Werden & Vergehen gefangen. Um Ausschnitte, Momentaufnahmen dieser Prozesse einzufangen, bediene ich mich der Abtraktion, denn alles Konkrete wäre ja wieder bloßes Produkt des Kreislaufs.

Inspiration ist mir hierbei vieles, es kann ein weltpolitisches Ereignis ebenso sein, wie die Beobachtung des Abrisses eines Hauses oder das Entstehen von etwas Neuem. Kunst findet stets sowohl im Großen, wie auch im Kleinen statt.

Helga König: Lassen Sie sich während des Malvorgangs von Musik inspirieren und falls ja, von welcher?

Alesia Verenich: Kunst schaffen ist ein emotionaler Vorgang. Es gibt Werke, bei denen ich absolute Ruhe benötige, bei denen jedes auftretende Geräusch störend wirkt.

Ebenso gibt es Werke, in deren Schaffensphase Musik fast essenziell für die Inspiration und den „Rhythmus“ des Schaffensaktes ist. In solchen Fällen liebe ich die Musik der Sängerin Adele.

Helga König: Auf Ihrer Homepage habe ich folgendes Zitat gefunden: „Schönheit und Harmonie sind Ideale, denen die Kunst einst verschrieben war und Sie wird zu diesen wieder zurückfinden“, können Sie Ihre Annahme näher erläutern?

Alesia Verenich: Auch wenn es nicht meinem persönlichen Stil entspricht, so bewundere ich doch die Werke der alten Meister, die in einer Zeit lebten, in der die Ästhetik noch ein erstrebenswertes Ziel in der Kunst darstellte. Hiermit meine ich nicht die reine Motivwahl, sondern die Ästhetik der künstlerischen Ausführung. Unabhängig vom reinen Motiv kann schon die reine künstlerische Umsetzung sowohl Schönheit und Harmonie erkennen lassen.

Nehmen wir einmal als Gegenbeispiel die moderne, die zeitgenössische Kunst. Kunst soll mit Tabus brechen, aber mit dem Aufbrechen der Qualität, zerbrach beinahe der Kunstbegriff selbst.

Heute ist es fast modern, jedes Werk dem Seele und Qualität fehlen, als Kunst zu bezeichnen. Nur sehr wenige Künstler, wie z.B. Gerhard Richter, verstehen es, auch innerhalb der zeitgenössischen Kunst, Schönheit und Harmonie in ihre abstrakten Kompositionen einzubinden. Insofern verwundert es mich auch nicht, dass es in der heutigen Zeit u.a. Installationen gibt, die von der Müllabfuhr entsorgt wurden.

Kunst sollte auch als Kunst erkennbar sein und dem Betrachter einen Zugang ermöglichen. Erreicht sie dieses nicht, so geschieht die Entsorgung zu recht.

Helga König: Weshalb muss nach Ihrer Meinung ein gutes Werk, Bild, Gedicht und Lied zugleich sein?

Alesia Verenich: Eine gelungene Arbeit sollte den Betrachter auf gleichzeitig mehreren Ebenen ansprechen, deshalb dieser Vergleich, der die Kommunikation zwischen Werk und Betrachter versinnbildlichen sollte.

Helga König: In welchen Ländern wurden Ihre Werke bereits gezeigt und wo findet die nächste Ausstellung vermutlich statt?

Alesia Verenich: Neben diversen Ausstellungen in Deutschland, hatte ich bereits Ausstellungen in Italien, Belgien, Weissussland und Südamerika (Cusco/ Peru ), wo auch Werke von mir im Museum für zeitgenössische Kunst hängen. Die nächsten Ausstellungen werden in Leipzig, Belgien und voraussichtlich in Russland und Italien stattfinden Auch bin ich Mitglied im Künstlerinnenverband GEDOK.

Liebe Alesia Verenich,  herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview.

Helga König

http://www.de.verenich.com/

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