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Helga König im Gespräch mit Prof. Dr. André Niedostadek zum Buch "Jean -Jacques Rousseau- Notizen zu einem Querkopf"

Lieber Herr Prof. Dr. Niedostadek, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Jean-Jacques Rousseau- Notizen zu einem Querkopf" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen. 

Helga König: Sie sind die Herausgeber des Buches "Jean –Jacques Rousseau - Notizen zu einem Querkopf". Es handelt sich hierbei um den Band 100 der Schriftenreihe „ Schriften zur Kulturwissenschaft“. Können Sie den Lesern zu dieser Schriftenreihe kurz etwas berichten?

 Prof. Dr. André Niedostadek
Prof. Dr. André Niedostadek:  Die Kulturwissenschaft ist ja sehr breit gefächert. Sie bietet zahlreiche Schnittstellen zu anderen Bereichen, angefangen von Kunst über Musik bis hin zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Die Schriftenreihe im Verlag Dr. Kovač greift genau diese Interdisziplinarität auf. Daher passte auch der Rousseau-Band mit seinen unterschiedlichen Schwerpunkten sehr gut in diese Reihe.

Helga König: Darf man wissen, was Sie als Juraprofessor motiviert hat, sich im Hinblick auf Publikationen zu Rousseau zu engagieren und welches Ziel haben die Autoren dieses Buches mit dem Band 100 verfolgt?

Prof. Dr. André Niedostadek:  Gerade Jura ist ein Fach, bei dem es sich immer wieder lohnt über den Tellerrand zu schauen. Und Rousseau hat nicht nur hier manche Spuren hinterlassen, die noch heute sichtbar sind. Das macht es reizvoll, sich mit solchen Persönlichkeiten zu befassen. Und was die zweite Frage betrifft: Nicht unbedingt ein Ziel aber doch eine Motivation war es, sich mit Blick auf die eigenen Arbeitsschwerpunkte mit bestimmten Facetten des Lebens und des Wirkens von Rousseau zu befassen und sie einem interessierten Leserkreis vorzustellen. Der Band umfasst ja mehrere Beiträge unterschiedlicher Autoren. Dankenswerter Weise haben sie sich darauf eingelassen. 

Helga König: Ist für unsere heutige Gesellschaft Rousseau noch relevant? 

Prof. Dr. André Niedostadek:  Klares "Jein"! Vielleicht gibt es relevantere Themen, als sich heute mit der Gedankenwelt von jemandem zu befassen, der schon vor 235 Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Auf der anderen Seite sind viele der von Rousseau aufgeworfenen Themen quasi zeitlos und insofern auch für uns heute noch relevant. Das gilt aktuell etwa für die Debatte rund um das Stichwort "Nachhaltigkeit", auch wenn Rousseau diesen Begriff selbst gar nicht gekannt hat, wie Amanda Hasenfusz und Thorsten Franz in ihrem Beitrag herausstellen. Alles in allem gab es wohl nur wenige Persönlichkeiten, die für unsere Moderne so prägend waren, wie Rousseau. Insofern bleibt es in jedem Fall spannend, sich mit seinen Ansichten auseinanderzusetzen. 

Helga König:  Welches der Werk Rousseaus spricht Sie am meisten an und weshalb?

Prof. Dr. André Niedostadek: Ein spezielles Werk gibt es da nicht. Das hängt auch immer wieder von den aktuellen Arbeitsschwerpunkten ab. Für ein neues Projekt zum Konfliktmanagement bin ich gerade dabei, Rousseaus Werk in dieser Hinsicht zu durchforsten. Sollte sich was finden, wird das vielleicht für die nächste Zeit die wichtigste Lektüre. 

Helga König:  Rousseau war zeitlebens Anfeindungen seiner Zeitgenossen ausgesetzt, erfährt man von einem der Autoren. Kann man davon ausgehen, dass diese Anfeindungen Rousseaus Schriften in irgendeiner Form beeinflusst haben? 

Prof. Dr. André Niedostadek:  Beeinflusst hat ihn das sicherlich. Dennoch lässt sich die Frage nicht ganz einfach beantworten. Gerade in den späteren Lebensjahren hat man Rousseau nämlich durchaus so etwas wie Verfolgungswahn unterstellt. Wo hören aber Anfeindungen auf und wo fangen paranoide Züge, wenn es sie denn überhaupt gegeben hat, an? In den letzten, sehr autobiografischen Werken fühlt er sich jedenfalls unverstanden und als Opfer. Wir würden vielleicht heute sagen, dass sich Selbstbild und Fremdbild bei Rousseau wohl nicht gedeckt haben dürften.

Helga König:  Lag Rousseau mit der Annahme richtig, dass die Einführung des Privateigentums Ursache für den Verlust von Freiheit und Autonomie darstellen? 

Prof. Dr. André Niedostadek: Über das Eigentum ist in der Vergangenheit viel debattiert worden und es wird auch heute noch viel darüber diskutiert. Letztlich sind es alles gedankliche Konstrukte, nicht mehr als Versuche, bestehende Verhältnisse erklären zu können. Rousseau hatte damals den Nerv der Zeit getroffen und der späteren Französischen Revolution in gewisser Weise den Weg bereitet. Viele seiner Zeitgenossen haben seine Ansichten sicher geteilt. Aus heutiger Sicht geht es vielleicht nicht mehr unbedingt um richtig oder falsch, sondern vielmehr darum, ob und gegebenenfalls was solche Erklärungsansätze für aktuelle Fragestellungen bieten können.  Wie steht es beispielsweise um das geistige "Eigentum" im Zeitalter des Internets? Rousseau gilt ja auch als Zivilisationskritiker. Man wüsste gerne, was Rousseau zu solchen Diskussionen gesagt hätte. 

Helga König:  Warum sollten wir heute noch Texte von Rousseau lesen? 

Prof. Dr. André Niedostadek: Kurzum: Weil sie nachdenklich
stimmen.

Lieber Herr Prof. Dr. Niedostadek, erneut möchte ich mich herzlichst bei Ihnen bedanken für das nunmehr 3. Interview, das Sie auf "Buch, Kultur und Lifestyle" gegeben haben.

Ihre Helga König.

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