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Helga König und Peter Jakob König im Gespräch mit Schwester Thekla, Betriebsleiterin des Klosterweinguts Abtei St. Hildegard.

Lieber Schwester Thekla, gestern habe wir drei Ihrer Rieslinge auf "Buch, Kultur und Lifestyle" vorgestellt. Heute nun möchten wir einige Fragen zum Klosterweingut Abtei St. Hildegard und Ihren Weinen an Sie richten. 

Hier die Links zu den Weinbesprechungen: Abtei St. Hildegard, Rheingau, Riesling, feinherb,  2012

Peter Jakob König:  Können Sie uns zunächst etwas über Ihre Klosterpatronin Hildegard von Bingen berichten? 

 Schwester Thekla, Betriebsleiterin
Schwester Thekla: Sie ist nicht nur die Patronin unserer Abtei, sondern auch die 1. Äbtissin unserer Gemeinschaft. 

Hildegard von Bingen (1098-1179) gilt als eine der bedeutendsten Frauen des deutschen Mittelalters und ist heute weit über die Grenzen ihrer rheinischen Heimat hinaus bekannt. Ihre Zeitgenossen zog sie gleichermaßen in ihren Bann wie die Menschen, die heute nach Sinn, Orientierung, Ganzheit und Heil suchen. Hildegards Werk und Selbstverständnis trägt stark visionäre und prophetische Züge. Göttlicher Ursprung dessen, was sie im "Lebendigen Licht" geschaut und gehört hat, und Sendungsbewusstsein der Prophetin zeichnen sie gleichermaßen aus. 

Hildegard wollte die Menschen ihrer Zeit aufrütteln und der Gott-Vergessenheit entgegentreten. Dabei predigte sie keineswegs eine weltlose Innerlichkeit. Ihr ging es um die religiöse Deutung des gesamten Universums, um ein konsequent gelebtes christliches Leben. Alles, Himmel und Erde, Glaube und Naturkunde, das menschliche Dasein in all seinen Facetten und Möglichkeiten, war für sie ein Spiegel der göttlichen Liebe, war Geschenk und Aufgabe zugleich. Gerade in unserer heutigen Zeit sind ihre Gedanken wieder hochaktuell und immer mehr Menschen sind von ihr fasziniert. Leider wird sie oftmals nur auf ihre Heilkunde, Ihre Musik oder Ihr Wissen über Edelsteine reduziert. Dies ist Teil ihres universalen Wissens, wichtig war ihr selber aber in allem ihrem Tun die Weitergabe des Glaubens an Gott. 

Helga König:  Die Abtei St. Hildegard ist ja ein Benediktinerinnenkloster. Welche grundsätzlichen Ordensgedanken bewegen die Benediktinerinnen? 

Schwester Thekla: Zunächst möchte ich eine unverzichtbare Grundlage nennen: Ohne Gott ist ein katholisches Kloster nicht denkbar. Gott ist die Grundlage und das Ziel christlich geprägten klösterlichen Lebens. So ist unser Leben nach der Regel unseres Ordensgründers des Hl. Benedikt von Nursia, ein Leben der Gottsuche in Gemeinschaft, in dem sich Gebet und gemeinsame Arbeit; Einsamkeit und Gemeinschaft; Stille und Aktion miteinander abwechseln.

 Abtei St. Hildegard
Drei Gelübde verspricht jede Schwester: Stabilitas (Beständigkeit), Conaversation morum (klösterlichen Lebenswandel) und oboedientia (Gehorsam). Das bedeutet ein Leben lang in der einmal gewählten Gemeinschaft beständig zu bleiben und sich um tägliche Neuausrichtung zu bemühen. Es geht nicht um ein Erstarren in einer einmal gewählten Form, sondern diese in die jeweilige Zeit zu übertragen. Benediktiner sehen ihr ganzes Leben, egal ob sie beten oder arbeiten als eine Einheit; auch die Erfüllung der aufgetragenen Arbeiten kann Gebet sein; Hinwendung zu Gott. Letztlich gibt es nichts Profanes, denn alles ist Schöpfung, Gabe Gottes. 

Peter Jakob König:  Wo bitte finden unsere Leser die Abtei im Rheingau und besteht die Möglichkeit dort auch einige Tage Einkehr zu halten? 

Schwester Thekla:  Die Abtei St. Hildegard liegt inmitten der Weinberge oberhalb von Rüdesheim am Rhein. 

Sie erreichen uns: per Flugzeug: Flughafen Frankfurt am Main, dann Zug oder Auto Richtung Wiesbaden. Von dort aus per Bahn nach Rüdesheim oder per Auto auf der Bundesstraße 42 nach Rüdesheim. Per Bahn: Bahnhof Rüdesheim am Rhein per Auto: von Norden kommend A3 Richtung Frankfurt, Wiesbadener Kreuz A 66 Richtung Wiesbaden, dann auf die B 42 Richtung Rüdesheim. Am Ortseingang rechts der Ausschilderung "Abtei St. Hildegard" folgen.Von Süden kommend A 61 bis Autobahnkreuz Bingen, dann Richtung Bingen Innenstadt und mit der Fähre über den Rhein nach Rüdesheim. 

Ab der Ortsmitte der Ausschilderung "Abtei St. Hildegard" folgen. Wir haben ein kleines Gästehaus für Menschen, die Stille und Rückzug suchen, ein wenig in unseren Lebensrhythmus einschwingen möchten oder Exerzitien und Begleitung suchen. Wer kommen möchte, sollte sich mit unseren Gastschwestern in Verbindung setzen, um abzusprechen, was machbar ist. (gaeste@abtei-st-hildegard.de)

Helga König:  Zu Ihrer Benediktinerabtei gehören auch Weinberge. Wie groß ist die Fläche auf der Sie Wein anbauen und wie lange bauen sie bereits Reben an? 

Schwester Thekla: Schon zu Hildegards Zeiten gehörten Weinberge zum Kloster. Mit den Erträgen haben die Schwestern bezahlt, den Küster, den Fährmann, etc.. So knüpft unser Weingut an die Tradition aus dem Mittelalter an. 

Das Kloster wurde 1900 wieder errichtet und seit dem betreiben wir hier Weinbau. Anfänglich auf 1 Hektar innerhalb der Klausurmauer und heute sind wir auf 7,5 ha angewachsen. Zu 83% bauen wir Riesling an, der Rest ist mit Spätburgunder bepflanzt. 

Peter Jakob König: Können Sie uns etwas über die Lagen und das Terroir berichten? 

Schwester Thekla: Wir haben hauptsächlich Rüdesheimer Lagen, wie Klosterberg, Klosterlay, Drachenstein, Magdalenenkreuz und ein wenig Assmannshäuser Hinterkirch und Geisenheimer Mönchpfad. Die Böden beinhalten meistens Quarzit, Löss und Lehm. In der Lage Klosterberg sind wir „steinreich“, denn der Boden enthält viele Steine. Diese speichern die Wärme und geben den Weinen oftmals eine mineralische Note. Viel Wert legen wir auf die Bodenbearbeitung der Weinberge. Gerade eine vielfältige Begrünung sorgt für humushaltige und lebendige Böden. Da fühlen sich nicht nur die Reben wohl, sondern auch Nützlinge.

Helga König:  Können Sie den Lesern Näheres zu den Namen der Klostereditionsweine sagen? 

Schwester Thekla: Die besten Weine eines Jahrganges verdienen es, als unsere Klosteredition abgefüllt zu werden.Sie bilden unsere Hausmarken in den Geschmacksprofilen trocken, halbtrocken und mild. Jeden dieser Weine haben wir mit einem eigenen Namen benannt. Für die Etiketten haben wir bewusst auf eine Miniatur Hildegards zurückgegriffen. Sie ist nicht nur die Patronin unseres Klosters, sondern gleichzeitig unsere erste Äbtissin gewesen. Ihre Miniaturen, die nach Ihren Visionen bildlich umgesetzt wurden, bilden ein Bindeglied zwischen Ihr und uns heute. 

Für die Klosteredition wählten wir die Miniatur „Die Chöre der Engel“ aus Hildegards Werk „Sci vias domini“, -Wisse die Wege des Herrn- aus. Sie ist eine der bekanntesten Darstellungen. In drei Variationen findet sie sich nun auf den Weinen wieder: 

Domus domini: Hierfür wurde der mittlere und zentrale Bildausschnitt gewählt. Um die leere Mitte, die für den nicht darstellbaren Gott steht, sind die Chöre der Engel in gleichmäßigen Kreisen angeordnet. 
Mons Sanctus: Ein Ausschnitt zeigt erkennbare Gesichter der Engel. Im himmlischen Jerusalem, der Stadt auf dem Berg, sind sie es, die um den Thron Gottes stehen und sein Lob singen. 


Hildegardis Scivias: Die gesamte Miniatur ist auf diesem Wein zu sehen, der ja auch den Titel des Werkes von Hildegard trägt. 

Es wirkt beruhigend, sich auf die gleichmäßigen Kreise der verschiedenen Engelchöre einzulassen und sich meditierend dem Gott zu nähern, der so unendlich groß ist, dass er nicht in Bilder zu fassen ist. Die ausgewählten Weine stehen als Repräsentanten für unsere Vision von typischen Rheingauer Rieslingweinen aus unserem Klosterkeller. 

Die trockene Spätlese Domus Domini, soll immer all das haben, was einen trockenen Riesling auszeichnet: Ein Rückgrat aus Säure, die durch einen Hauch Restsüße „gebändigt“ ist und so dem feinen Spiel der im Weinberg herangereiften Fruchtaromen genügend Raum lässt. Die halbtrockene Spätlese Mons Sanctus erhält ihre Prägung durch den Boden unserer Weinberge der Lage Klosterberg (2ha), die direkt ums Kloster liegen. Der steinige, mit Löss und Quarzit durchsetzte Boden verleiht diesen Weinen eine mineralischen Note, die kraftvolle Riesling- Weine entstehen lässt. 

Bei den vielen Steinen dort, bewahrheitet sich ein alter Winzerausspruch: „Viel Stein, guter Wein!“ Und durch die dienende „Restsüße“ sind die Weine gute Essensbegleiter, aber machen auch so Freude am Genießen. 

Die milde Spätlese "Hildegardis Scivias" soll durch elegante Restsüße geprägt sein und mit glasklarer, „himmlischer“ Harmonie zeigen, was der Riesling am 50. Breitengrad zu leisten in der Lage ist.

Peter Jakob König:  Sie nennen Ihren „Mons Sanctus“ „Klausurwein“. Was darf man bitte sich darunter vorstellen? 

Schwester Thekla: Der Wein Mons Sanctus (zu dt. heiliger Berg) stammt immer aus der Lage Klosterberg, die direkt vor unserem Kloster liegt. 1ha unserer Weinberge liegen in dieser Lage und sind von einer Mauer, der sogenannten Klausurmauer umgeben. Die Klausur bezeichnet den Bereich des Klosters, der nur den Nonnen vorbehalten ist und sozusagen einen geschützten Rückzugsbereich darstellt. Innerhalb dieser Klausurmauer bildet sich ein Mikroklima, welches die Entwicklung der Trauben begünstigt. Daher haben wir diese Beschreibung beigefügt (…ein wenig auch an den Steinberg der Eberbacher Mönche angelehnt…) 

Helga König:  Wird die Arbeit im Weinberg von allen Nonnen dort bewerkstelligt oder gibt es da spezielle Arbeitseinteilungen. 

Schwester Thekla: Jede hat eine ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgabe innerhalb der Gemeinschaft und ist einem festen Arbeitsplatz zugeteilt. Aber es gibt auch Zeiten, wie die Weinlese oder Obsternte, zu denen alle mithelfen (ja auch nach ihren Kräften und Möglichkeiten). Im Weingut arbeite ich allein als Schwester zusammen mit unserem angestellten Winzermeister, Arnulf Steinheimer. Wie in jedem Betrieb, so sind auch bei uns die Aufgabenschwerpunkte verteilt. Während Herr Steinheimer die Weinberge bearbeitet und den Ausbau im Keller macht, bin ich für die Vermarktung, Versand und Kundenbetreuung zuständig. (wobei ich eine Ausbildung zur Winzergesellin im Kloster abgeschlossen habe). Wenn’s nötig ist, arbeiten wir zusammen und helfen dort, wo es gerade nötig ist. 

Peter Jakob König:  Welche Rebsorten bauen Sie vorwiegend an und auf welche Art und Weise findet Ihre Vermarktung statt? 

Schwester Thekla: Wir haben hauptsächlich Riesling (83%) und Spätburgunder (17%). Wir „ernten“ im Durchschnitt pro Jahr 40.000 Flaschen. Ca. 50% verkaufen wir in der Vinothek in unserem Klosterladen vor Ort. Der Rest geht über den Versand fast ausschließlich an Endverbraucher. Damit ist unser Online-Shop im steigenden Maß gefragt. Einen kleiner, ausgewählter Teil wird an andere Klosterläden oder Weinhandlungen verkauft. Auch Gastronomie in Rüdesheim oder anderswo, wie z.B. die hessische Landesvertretung in Berlin führen unseren Wein auf ihrer Karte. 

Helga König:  Obliegt es Ihnen als Winzergesellin auch die Weine von Ihren Mitbewerbern zu testen und auf Weinmessen zu reisen ? 

Schwester Thekla: Weine anderer Winzer zu verkosten ist unabdingbar, wenn man nicht betriebsblind werden will. Es schult die eigene Fähigkeiten Weine zu beurteilen und zu beschreiben. Da wir öfter auch Weine geschenkt bekommen oder uns mal einen kaufen oder bei anderen Winzern eingeladen sind, bietet sich dazu die Gelegenheit. Es ist ist eigentlich eine „Fortbildung“, denn nur durch vieles probieren und vergleichen kann man Erfahrungen sammeln. Wir haben schon mal an der ProWein teilgenommen und sind auch als Besucher dort gewesen, aber die Zeit reicht dazu nicht immer.

Liebe Schwester Thekla, wir danken Ihnen ganz herzlich für dieses wirklich aufschlussreiche Interview.
Helga König, Peter Jakob König

Bilder: Abtei St. Hildegard

Bitte klicken Sie  auf den Link, dann gelangen Sie  auf die Website des Weingutes Klosterweingut Abtei St. Hildegard: www.abtei-st-hildegard.de


kostenfreie Fotos: aus dem Bestand des Kloster St. Hildegard. Die Fotografen sind mir nicht bekannt.

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