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Helga König im Gespräch mit Dr. Tobias Ruland, dem Autor des Buches "Die Psychologie der Intimität"

Lieber Herr Dr. Ruland, vor einigen Tagen habe ich Ihr Buch "Die Psychologie der Intimität- Was Liebe und Sexualität miteinander zu tun haben" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen. 


Helga König; Sie sind Paar- und Sexualtherapeut mit eigener Praxis in München und können demnach auf einen reichen Erfahrungsschatz an Beobachtungen von Handlungsmustern von Paaren zurückblicken, die bei ihnen Hilfe suchen. Was ist Intimität nach Ihrer Begriffsdefinition und wieso ist diese in Beziehungen elementar wichtig? 

 Dr. Tobias Ruland
Copyright: Miguel Perez
Dr. Tobias Ruland: Etwas verkürzt gesagt: Angstfrei, offen und authentisch miteinander kommunizieren zu können. Intimität heißt, sich selbst, seine eigenen Gedanken und Gefühle wahrnehmen und angemessen ausdrücken zu können und sich dabei zu erleben. Wichtig ist diese Fähigkeit vor allem deshalb, weil sie die Grundvoraussetzung für gemeinsames Problemlösen darstellt.

Helga König: Sie schreiben, dass sich Paarbeziehungen nicht selten auf Passungen einer kollusiven Allianz gründen und Beziehungen in die Krise geraten, wenn sich besagte Passungen auflösen oder abschwächen. Können Sie den Lesern hierfür Beispiele nennen, die besonders häufig auftreten? 

Dr. Tobias Ruland: Die simpelste Anfangs-Kollusion ist: ich bin ich Dich verliebt und Du bist in mich verliebt. Die Schmetterlinge im Bauch machen, dass wir 7 Tage die Woche und 24 Stunden am Tag zusammen sein wollen. Das funktioniert so lange wie beide die Schmetterlinge spüren. Sobald sie bei einem der beiden nachlassen, geraten viele Paare schon in die ersten Probleme und Konflikte.

Helga König: Wie Sie betonen, ist es notwendig, Beziehungen in "kollaborative Allianzen" umzuwandeln. Ist eine kollaborative Allianz mehr als eine bloße Vernunftbeziehung und wenn ja weshalb? 

Dr. Tobias Ruland: Eine funktionierende Vernunftbeziehung kann durchaus auch eine kollaborative Allianz sein. Der Unterschied ist, dass die kollaborative Allianz einer intimen Paarbeziehung von unerschütterlichem Respekt voreinander getragen wird. Das muss in einer Vernunftbeziehung nicht unbedingt so sein. 

Helga König: Sie haben eine ganze Reihe von seelischen Verletzungen aufgeführt, die in Partnerschaften auftreten können und subsumieren diese unter dem Begriff Machtausübung in einer Hierarchie. Lösen kollusive Allianzen letztlich die ungleiche Augenhöhe von Liebenden mit den unliebsamen Folgen für Partnerschaften aus und falls ja, weshalb? 

  Dr. Tobias Ruland
Copyright: Miguel Perez
Dr. Tobias Ruland: Ich erkläre in meinem Buch ganz genau, dass schon allein die gegenseitige Abhängigkeit in einer kollusiven Beziehung ein wichtiges verletzendes Moment in sich trägt. Das fällt nur in der Regel nicht auf, solange sich die Kollusion behaglich anfühlt. Ein häufiges Beispiel ist die finanzielle Abhängigkeit einer Hausfrau von ihrem besser verdienenden Mann. Am Anfang mag das nach sinnvoller Arbeitsteilung aussehen, hat aber das Potenzial, langfristig durch die permanente Abhängigkeit zu ernsten Konflikten zu führen. Man muss schon recht stark sein, um langfristig in einer Abhängigkeitskonstellation den Respekt füreinander zu bewahren. 

Helga König: Sie schreiben, dass persönliche Differenzierungsfähigkeiten die Voraussetzung für ein intimeres Zusammenleben fördern. Sind diese Fähigkeit eine Frage des Alters, der Bildung oder der Intelligenz oder von etwas anderem? 

Dr. Tobias Ruland: Die Differenzierungsfähigkeit eines Menschen steigt mit der Anzahl und Schwere der Lebenskrisen, die dieser Mensch erfolgreich zu bewältigen gezwungen war und ist damit indirekt vom Lebensalter abhängig, wie auch meine eigene Forschung suggeriert. Wenn ein Mensch keine ernsten Lebenskrisen zu bewältigen hat, bleibt er auf einem kindlichen Niveau, auch wenn er/sie reich, schön und intelligent ist. Auch wenn es traurig klingt: nur die Bewältigung ernster Lebenskrisen entwickelt uns Menschen wirklich weiter, denn nur dann sind wir gezwungen, uns ganz neue Bewältigungsmechanismen anzueignen. 

Helga König: Haben Männer eher Angst vor wirklicher Intimität als Frauen und falls ja, weshalb? 

 Klett-Cotta
Dr. Tobias Ruland: Ich habe keine Anzeichen dafür, dass das so ist. Es stimmt schon, dass viele Männer der Selbstoffenbarung ausweichen und lieber schweigen, dafür weichen viele Frauen der Intimität dadurch aus, dass sie zu viel und zu belangloses Zeug reden.

Helga König: Was verstehen Sie unter dem Begriff "apokalypischer Berserker" und wie kann man diesen in Beziehungen außen vor halten? 

Dr. Tobias Ruland: Vereinfacht gesprochen ist der apokalyptische Berserker der Umstand, wenn ein Mensch den Selbstwert seines Beziehungspartners untergräbt, in dem er ihn z.B. wertet ("Du bist immer so schlampig!"), blockiert ("was Du willst, interessiert mich nicht"), unterbricht, sich nicht an Absprachen hält usw. Ich habe über die Jahre über 300 Alltagssituationen gesammelt, wie das geschehen kann. Langfristig kann man den Kerl nur dadurch zügeln, in dem man lernt, mit sich selbst und dem anderen respektvoll und konstruktiv umzugehen

Helga König:  Wie kann man seine Beziehungsfähigkeit am besten schulen? 

   Dr. Tobias Ruland
Copyright: Miguel Perez
Dr. Tobias Ruland: Indem man sich selbst beobachten lernt und daran arbeitet, den Bockmist zu verändern, den man selbst den ganzen Tag fabriziert. Indem man lernt, seinen Beziehungspartner gut zu lieben. 

Helga König: Warum setzt eine wirklich geglückte sexuelle Beziehung generelle Intimität voraus und welche Konsequenzen hat eine solche Beziehung über das spontane Wohlbefinden hinaus?

Dr. Tobias Ruland: So würde ich das gar nicht behaupten wollen. Ich habe schon Menschen getroffen, die eine sexuelle Beziehung auf Minimalniveau geführt haben und sie dennoch als "glücklich" bezeichneten. Wenn ich aber eine wirklich intime sexuelle Beziehung auf die Beine stelle, dann werde ich sehr genau darauf achten, dass ich diese nicht auf's Spiel setze und den anderen durch meine Selbstbezogenheit, meine schlechte Laune und mein dummes Gerede von mir wegtreibe. Eine glückliche und intime sexuelle Beziehung ist nichts, was man an jeder Straßenecke findet und erfahrene Menschen wissen das und werden versuchen, diese Beziehung zu hegen und zu pflegen.  

 Klett-Cotta 
Helga König: In Kapitel 6 nennen Sie die Puzzlesteine, Kompetenzen und Werkzeuge, die zum Wachsen intimer Paarbeziehungen notwendig sind. Ist eine geglückte Beziehung demnach eine Frage des persönlichen Einsatzes und Wollens, die alle Paare erreichen können? 

Dr. Tobias Ruland: Für etwa 90% der Menschheit würde ich das bejahen. Allerdings gibt es einen gewissen Prozentsatz an Männern und Frauen, die narzisstisch so arg behindert sind, dass es für sie außergewöhnlicher Anstrengungen bedarf, überhaupt einigermaßen beziehungsfähig zu werden.



Lieber Herr Dr. Ruland, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König


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Anbei auch der Link zur Website von  Dr. Tobias Ruland:liebe.institute

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