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Helga König im Gespräch mit Prof. Dr. #Gunter_Dueck über sein Buch "#schwarmdumm - So blöd sind wir nur gemeinsam"

Lieber Prof. Dr. Dueck dieser Tage habe ich Ihr Buch "#schwarmdumm - So blöd sind wir nur gemeinsam" rezensiert . Dazu möchte ich Ihnen einige Fragen stellen.

Helga König: Können Sie den Lesern kurz erläutern, was man unter einem Schwarm, unter Schwarmintelligenz und Schwarmdummheit versteht?

 Prof. Dr. Gunter Dueck
Foto. Andreas Naurath
Prof. Dr. Gunter Dueck: ​Oh, das ist nicht so einfach, weil ja nicht einmal normale Dummheit im Lexikon gut definiert ist. Schwarmintelligenz beobachtet man bei eingeschworenen Teams, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, so wie die Sieben Samurai im Kino oder gute gute Jazzmusiker. Im Alltag aber kollidieren Ziele und Interessen, und wir sind nicht gut darin, trotz partikulärer Wünsche gemeinsam an einem Ganzen zu arbeiten. Was herauskommt, ist sehr oft richtig dumm. Das nennt man natürlich anders, etwa: "Mit diesem Kompromiss müssen wir nun alle leben."​ 

Helga König:  Was muss in der Ausbildung von Betriebswirten verändert werden, damit diese, gleichgültig wo man sie in einem Firmenbereich eingesetzt, stets den Blick für das Ganze bewahren? ​

Prof. Dr. Gunter Dueck: Es ist ganz egal, wie man sie ausbildet - im Leben bekommen sie Einzelziele, wonach sie sehr hart getrackt werden. Fast jeden Tag trifft man Entscheidungen, die das eigene Gehalt beeinflussen. Das macht nervös, und man gerät leicht auf die dunkle Seite des Meetings. Dann aber haben die Leute im Meeting, die ihre Interessen für das Ganze zurückstellen, keine Mehrheit. Und alles wird wieder dumm - obwohl alle einzeln intelligent sind. ​ 

Helga König: Wodurch entsteht Teilblindheit von Abteilungsleitern in Unternehmen und welche Folge hat dies in Meetings und darüber hinaus? ​

Prof. Dr. Gunter Dueck: Dieses Auseinanderdividieren der Menschen durch Setzung von Einzelzielen ist absolut gewollt. Man glaubt eisern an Adam Smith, der gesagt haben soll, dass für das Ganze stets das Beste herauskommt, wenn alle Einzelnen egoistisch ihre Ziele verfolgen. Das hat er nicht gesagt! Er meinte, "wenn alle vernünftig in ihrem eigenen Rahmen entscheiden". Die Vernunft wird eben durch zu hohe Ziele abgesetzt und durch harten Egoismus ersetzt, der zu der von Ihnen angesprochenen Teilblindheit führt. Adam Smith hat wohl Recht, aber ein überzogener Adam Smith verdummt die ganze Ökonomie. ​ ​Fazit: Das ganze heutige Managementverständnis über Zielegoismus oder "Incentives" erzeugt globale Dummheit. ​ 

Helga König: Wer sorgt dafür, dass alle das Ganze verstehen und welche Maßnahmen sollte man in Betracht ziehen, wenn trotz Begreifen des Ganzen aus egoistischen Motiven schwarmintelligentes Verhalten von der Hälfte des Teams untergraben wird?

  Prof. Dr. Gunter Dueck
Foto. Andreas Naurath
Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Im Mittelstand sorgt der Chef dafür, weil er a für das Ganze steht. In Großunternehmen kann das auch gehen. Es werden dabei immer dieselben Namen genannt, die das Ganze sehen: Bill Gates, Steve Jobs, Hasso Plattner​, Burda, Otto, Oetker...

Helga König:  Weshalb ist es so schwierig den Führungsleuten klar zu machen, dass ihre Mitarbeiter sobald sie mehr als 85% ausgelastet sind, nicht mehr zur völligen Zufriedenheit des Betriebs arbeiten können? 

Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Es gibt viele technische Systeme, die bei einer Auslastung jenseits der 85 % zusammenbrechen. Wenn es in einem noch höher ausgelasteten System zu Störungen oder Verzögerungen kommt, entstehen neue Probleme, die viel zusätzliche Arbeit machen und die Auslastung des Systems ERHÖHEN, ohne das mehr Leistung dabei herauskommt. Wir kennen alle die Probleme der Bahn, die zu sehr ausgelastet ist, weil sie keine Reservezüge hat. Die Störungen führen zu Verspätungen, die führen wieder zu Folgeverspätungen überall, das System wird chaotisch, man muss statt eingesparter Loks Management und Beschwerdeprofessionals haben, und alle Leute wie ich, die NIE zu spät kommen dürfen, müssen aus Vorsicht vor dem Chaos "jeden verdammten Termin" eine Stunde zu früh einplanen... der Schaden ist immens. ​ ​Aber, jetzt kommt's: Das Management will 100 Prozent Auslastung. Das geht nur bei totaler Roboterisierung derArbeit, wo man es vielleicht so einrichten kann, dass es NIE Störungen gibt. Überall sonst ist das beliebig dumm. ​

Helga König: Wenn so klar ist, dass ein System als Ganzes unter Stress in Inkompetenz versinkt, weshalb wird diese Tatsache dann nicht warnend pausenlos kommuniziert und im Vorfeld bereits Abhilfe geschaffen?

Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Bertolt Brecht sagte: ​"Unsichtbar wird die Dummheit, wenn sie genügend große Ausmaße angenommen hat." Bertolt Brecht hat ja pausenlos kommuniziert. Er wurde auch wahrgenommen. Und? Man lese "Die Nashörner" von Ionesco, wo im Verlauf des Stücks alle Handelnden zu Nashörnern werden... Lesen Sie das einmal unter der Vorstellung, dass jemand plötzlich "Shareholder-Value" predigt und dann alle in diesen Modus nasewachsend abkippen. Hinter Ihrer Frage steht die Gutmenschenvorstellung, dass das Predigen von Vernunft hilft. Sie vergessen, dass ja auch Unvernunft gepredigt wird und dass die Leute die Wahl haben, welcher Richtung sie folgen. Und Ideen wie "100 Prozent Auslastung ist toll" sind vollkommen bestechend. 

Helga König: Was empfehlen Sie Managern, damit diese auch im Dauertagesgeschäft den Sinn für Qualität und Erstklassiges nicht verlieren und wieso ist es so wichtig, diesen Sinn nicht nur zu bewahren, sondern auch immer wieder ein wenig mehr zu kultivieren?

Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Sie sollen sich mit den Produkten und Kunden befassen, viel weniger mit Ergebniszahlen und dem Versuch, die Auslastung über 85 % zu steigern (und dann nur noch das selbsterzeugte Chaos zu besänftigen, was ja nicht geht und bis zum Burnout betrieben werden kann). ​  

Helga König: Sie zeigen in Kapitel 7 wie Verantwortliche tricksen, mogeln und ihre Fehler anderen ankreiden aus Gründen, die Sie auch benennen. Mangelt es den Verantwortlichen an innerer Reife oder sind diese Leute zu angstbesetzt, als dass sie offen mit Zahlen umgehen können. Ist denen nicht klar, dass sie am eigenen Ast sägen?

Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Nein, das ist kaum einem mehr klar, sie alle beseitigen das Chaos zu hoher Auslastung. Bei der Bahn geht es nur darum, dass die Züge überhaupt irgendwie ankommen. Es ist für nichts anderes mehr Zeit. Das hat nichts mit Reife zu tun. Die anfängliche Überlastdummheit führt zu Chaos. Punkt. Jetzt arbeiten alle am Chaos. Sie müssten aber die Überlasst rausnehmen. Das tun sie nicht. ​ 

Helga König: Wir haben im letzten Jahr ein Interview zu Ihrem Buch "Verständigung im Turm zu Babel: Über Multi-Channel-Kommunikation und proaktives Zuhören (Keynotes)" realisiert. In Ihrem neuen Buch greifen Sie das Thema in Kapitel 10 auf. Wenn Schwarmdummheit letztlich auch mit dem Unvermögen, präzise miteinander zu kommunizieren zusammenhängt, was steht zu tun an, um Abhilfe zu schaffen? 

  Prof. Dr. Gunter Dueck
Foto. Andreas Naurath
Prof. Dr. Gunter Dueck:  ​Im Chaos ist das Hemd näher als im Zustand der Gelassenheit. Bei Gefahr rettet sich das Tier instinktiv selbst, es denkt nicht an die Welt im Ganzen. Dieser Umstand ruiniert auch die Kommunikation, klar. ​ 

Helga König: Sie schreiben zu Beginn des Kapitels 12 „ Es ist nicht ausgeschlossen, dass mehr Schwarmintelligenz in die Menschheit einzieht. Doch wenn es gelingt, nur auf einem langen, steinigen Weg.“ Wie heißen die fünf übelsten Steine, die es wegzuräumen gilt?

Prof. Dr. Gunter Dueck: Die Anfangsfehler, die zu Chaos führen: 
Utopische Ziele ("jedes Unternehmen wächst dieses Jahr doppelt so schnell wie der Markt"), Auslastungsphantasien jenseits der Stabilität, das Nachhängen an viel zu simplen Rattenfängerwahrheiten ("Es kommt nur auf den Shareholder-Value an"), 
das Wegdrücken alles Wichtigen unter Chaosstress (Innovation, Nachhaltigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit, Kundeninteressen,...) 
und das Ignorieren der Feindreaktionen, wenn man selbst im Chaos anderen zu eigenem Nutzen schaden will (Preiskriege, Schummeln bei Qualität und Beratung). ​


Lieber Herr Prof. Dr. Dueck, ich danke Ihnen für das erhellende Interview.

Ihre Helga König


Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Campus-Verlag und können das Buch bestellen: http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/wirtschaft/schwarmdumm-9655.html


Anbei auch die Website von Prof. Dr. Gunter Dueck:http://www.omnisophie.com/

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