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Helga König im Gespräch mit der indonesischen Autorin Ida Ayu Agung Mas

Liebe #Ida_Ayu_Agung_Mas, Sie sind 2004 als erste Senatorin Balis ins Parlament von #Jakarta eingezogen. Nun haben Sie rechtzeitig zur #Frankfurter_Buchmesse-2015 ein #Buch veröffentlicht, das ich dieser Tage rezensiert habe. 

Es ehrt uns sehr, dass Sie als #Indonesierin auf "Buch, Kultur und Lifestyle" ein #Interview geben, zumal #Indonesien dieses Jahr das #Gastland auf der Messe ist.  Ich darf Sie als 360. Interviewpartnerin willkommen heißen. 

Hier der Link zur Rezension Ihrer Autobiografie #Tempeltänzerin_und_Senatorin 

Helga König: Welchen Stellenwert hat die Frankfurter Buchmesse für Autoren aus Indonesien?

 Ida Ayu Agung Mas
Ida Ayu Agung Mas: Indonesiens Literatur ist noch eine große Unbekannte, sowohl in Deutschland als auch in Indonesien selbst, einerseits weil unsere Sprache relativ jung ist, und die moderne Literatur sich erst nach dem Sturz #Suhartos frei entwickeln konnte. Sie ist komplex und unüberschaubar, weil sie sowohl stilistisch und als auch geographisch kontrastreich ist und es keine zentralistische Verfasstheit gibt. So gibt die Frankfurter Buchmesse einigen indonesischen Autoren eine Bühne, um sich vorzustellen. 

 Helga König
Helga König: Sie haben in Deutschland Germanistik studiert und äußern sich in ihrer Autobiografie auch dazu. Was bedeutet Ihnen Poesie? 

Ida Ayu Agung Mas: Seit meinem Studium in Hamburg konnte ich mich nicht mehr intensiv mit Literatur beschäftigen, da ich während des Aufbaus von #Sua_Bali in sehr praktische und politische Abläufe eingespannt war. Am meisten Zeit, mich mit Literatur zu beschäftigen, hatte ich in Hamburg und am liebsten las ich die deutsche Gegenwartsliteratur, wie Handke, Grass, auch Kafka und Brecht.

Helga König: Bali assoziiere ich mit Poesie. Irre ich mich diesbezüglich in meiner Einschätzung oder atmet Bali tatsächlich Poesie und wenn ja inwiefern? 

Ida Ayu Agung Mas: Es gibt eine Vorliebe für Lyrik, da in verschiedenen Traditionen die mündliche Überlieferung am Wichtigsten war. Wayang Erzählungen und Gesänge im Rahmen eines #Schattenpuppentheaters, man kann sich die Erzähler wie Bänkelsänger vorstellen. Unsere #Dalang, sprich Erzähler, verbreiten die gesprochene Literatur, diese Literaturverbreitung ist in ländlichen Gegenden eher die Regel, Bücher die Ausnahme. 

Helga König: Sie waren als junger Mensch #Tempeltänzerin. Was dürfen sich unsere Leser unter diesem Begriff vorstellen? 

Ida Ayu Agung Mas: In jedem #Tempel, jedem Dorf wird #Tempeltanz unterrichtet. Heute haben natürlich auch Kinder der unteren Kasten die Möglichkeit, den Tempeltanz zu studieren, früher wurde man vom Priester und den älteren Tanzkünstlern erwählt, weil es ein heiliger #Tanz war und der #Priester die Begabung oder Anlage der Kinder erkannte, in #Trance zu tanzen. Heute dient der Tanz auch der Unterhaltung.

Helga König: Was Ihr #Germanistikstudium u.a. eine Abnabelung von Ihrem Vater? 

Monika Endres-Stamm- Ida Ayu Agung Mas
Ida Ayu Agung Mas: Eigentlich nicht, weil mein Vater an einer holländischen Schule Deutsch, Englisch und Französisch gelernt hatte. In seinem #Bücherregal standen deutsche Bücher, wahrscheinlich hat er auch von Deutschland geschwärmt, ich kann mich nicht mehr genau erinnern. In meiner Kindheit gab es einen übersetzten Karl May, aus dem er uns vorgelesen hat. Mein Stipendium ermöglichte mir aber, aus meiner arrangierten Ehe auszubrechen und zum ersten Mal so etwas wie persönliche Freiheit zu erleben.

 Helga König
Helga König:  Haben Ihre Studienjahre in Deutschland, Ihr späteres Berufsleben sehr beeinflusst? 

Ida Ayu Agung Mas:  In Hamburg lernte ich zum ersten Mal die Vorzüge einer Demokratie und die Liberalität einer Universität in den 70er-Jahren kennen, nach meiner Rückkehr war mein politischer Verstand geweckt, und es war sehr schwierig, mich wieder den Repressalien der Diktatur unter Suharto auszuliefern. Eigentlich bin ich in Hamburg zu einer politischen Person geworden, die sich später mit gleichgesinnten Frauen gegen das Regime Suharto gestellt hat und am Ende waren wir ja erfolgreich. Ab 2004 wurde ich zur ersten Senatorin in Bali gewählt und konnte für meine Ziele auf einer anderen Ebene kämpfen. 

Helga König: Wann wurden Sie von der Idee des sanften Tourismus ergriffen und welche Wege der Umsetzung sind Sie gegangen? 

Ida Ayu Agung Mas
Ida Ayu Agung Mas: Buch S. 148-49 "In Nusa Dua, wo ich an der Hotelfachschule lehrte, waren in den letzten Jahren riesige Hotelkomplexe großer westlicher Hotelketten gebaut worden, die nicht in die Landschaft passten und die Einwohner Balis vom Profit, den die Konzerne mit dem Charme dieser Insel machten, ausschlossen. Mir schwebte ein Gegenmodell vor, eine kleine Anlage in traditioneller balinesischer Bauweise, die sich harmonisch in die Umgebung fügte, mit freiem Blick in diese archaische Flusslandschaft. Ich fragte mich, ob ich gemeinsam mit den Dorfbewohnern Kemenuhs meine Idee eines sanften Tourismus hier in Mittelbali verwirklichen könnte. Ich wollte das Dorf miteinbeziehen und die Bevölkerung an den Einkünften und den neuen Ideen, die die Touristen bringen würden, teilhaben lassen. Kemenuh würde so auf sanfte Weise mit der Moderne in Kontakt kommen und gleichzeitig unseren Gästen aus dem Westen helfen, einen Einblick in unsere Kultur zu gewinnen, ohne der balinesischen Tradition zu schaden.“ 

Helga König: Was bedeutet Ihnen eine intakte Umwelt und wie sollte diese auf Bali idealtypisch ausschauen? 

Ida Ayu Agung Mas: Eines unserer größten Umweltprobleme ist die Verunreinigung der Meere und Flüsse. Buch S. 168 „Während es einst nur organischen Abfall gegeben hatte, der vergraben und von der Natur wieder zurückgenommen wurde, ersticken wir inzwischen im Zivilisationsmüll. Jahrzehntelang wurden Plastiktüten, Flaschen, Dosen, Batterien einfach achtlos weggeworfen. Das Meer, die Flüsse und Reisfelder verschmutzten immer mehr, und niemand war bereit, auch die Regierung nicht, Überlegungen anzustellen, diese Missstände zu beseitigen und das Verhalten zu verändern.“ Wir müssen vor allem unsere Abfallbeseitigung in den Griff bekommen. 

Helga König: Sie waren die erste Senatorin von Bali. Hat Sie dieses Amt sehr verändert und falls ja inwiefern? 

Monika Endres-Stamm- Ida Ayu Agung Mas
Ida Ayu Agung Mas: Ein paar meiner Senatorenkollegen waren früher Gouverneure gewesen, manche hatten ein Ministeramt innegehabt, die meisten waren professionelle Politiker, die viel Erfahrung mitbrachten und denen die Demokratisierung Indonesiens ein großes Anliegen war. Wenn ich an meine Arbeit in Sua Bali zurückdachte, war ich manchmal richtig glücklich, auf welch anderer Ebene Diskussionen nun möglich waren und wie viel mehr wir im Parlament erreichen konnten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich gelohnt hat, für meine alten Ziele zu kämpfen. 

Helga König:  Ist "Pancasila", die "Einheit der Vielfalt" ein Grundgedanke, der die Welt befrieden könnte? 

Ida Ayu Agung Mas: Von den 250 Mill. Indonesiern bekennen sich 90 % der Bevölkerung zu Allah, das ist natürlich spürbar, aber unsere Verfassung garantiert die Einheit in der Vielheit und man darf nicht vergessen, dass der asiatische Islam sich anders gebärdet als der arabische. "Wir sind auf Versöhnung ausgerichtet, scheuen den Konflikt, sind eher ausgleichend und höflich als konfrontierend." Terror gilt in Indonesien als Ausnahme, religiöse Toleranz als Normalfall. Der südostasiatische Islam könnte als Modell dafür dienen, dass es eine weltoffene Variante dieser Religion gibt. 

Helga König: Begreifen Sie sich in Sachen Emanzipation als Vorreiterin in Indonesien? 

Ida Ayu Agung Mas
Ida Ayu Agung Mas: Nicht in ganz #Indonesien, aber auf #Bali habe ich mit einigen Frauen, die mit mir an der Universität in #Den_Pasar unterrichtet haben, und auch in Sua Bali für die Rechte der Frauen gekämpft. Buch S 154 „Vor allem darin sah ich meine Aufgabe, die Frauen im Dorf zu unterstützen, ihnen mehr Selbständigkeit zu ermöglichen, indem ich sie in mein Projekt Sua Bali miteinbezog und ihnen Verantwortung übertrug. Bald machten sie die Erfahrung, dass sie mit dem Geld, das sie bei mir verdienten, selbständiger und unabhängiger von ihren Männern wurden, gleichzeitig stieg ihr Ansehen innerhalb der Familie. Die meisten der Frauen konnten dann mit dem verdienten Geld ihren Töchtern eine bessere Ausbildung ermöglichen. Genau diese Ziele habe ich auf nationaler Ebene als Senatorin verfolgt.

Liebe Ida Ayu Agung Mas, ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

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