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Helga König im Gespräch mit der Verlegerin Christine Brendle, Inhaberin des C.M. Brendle-Verlags

Liebe Christine Brendle, Sie sind Verlegerin und Autorin. Im Rahmen dieses Interviews möchte ich einige Fragen an Sie als Verlegerin stellen, um unseren Lesern den C. M. Brendle Verlag näher zu bringen. 

Helga König: Wann hat Ihre Liebe zu Büchern ihren Anfang genommen und gibt es Bücher, die Sie im Laufe Ihres Lebens immer wieder mal gelesen haben, falls ja, was macht den Reiz solcher Publikationen aus? 

 Christine Brendle
Verlegerin
Christine Brendle:  Mein erstes und ganz wichtiges Buch war "Ihr bester Freund" von Helene Weilen. Das war etwa in der zweiten Klasse. Mich hat fasziniert,  was Sprache mit uns machen kann. Dieses Buch habe ich mehrfach, wenn nicht gar vielfach gelesen und dabei stets aufs Neue an der gleichen Stelle geweint, … obwohl ich ja die Geschichte kannte, wusste, dass sie nur erfunden war … Diese Macht der Worte, diese seelische Berührung hat mich fasziniert.

Beim Lesen habe ich sehr viele unterschiedliche Phasen durchgemacht. Nach meiner ersten Leseentdeckung habe ich den Bücherschrank meiner Mutter durchgelesen, später Unterhaltungsliteratur… Dann war ich einige Zeit vollkommen von Lyrik begeistert. Inzwischen lese ich oft, was in den bekannten Literatursendungen besprochen wird und mich neugierig macht. Ich entdecke auch gerne Neues.  

 Helga König
Helga König: 1995 wurden Sie Leiterin des Autorenkreises Little Pen. Können Sie unseren Lesern darüber Näheres berichten? 

Christine Brendle: Immer wieder habe ich unterschiedliche Kurse und Schreibseminare besucht und wollte mich dann irgendwann regelmäßig mit Autoren treffen,  austauschen usw.,  um auch Rückmeldung zu erhalten. Teilweise ist dieser Kreis bis auf 30 Personen im Alter zwischen 16 Jahren und 86 Jahren angewachsen. Gerade auch der Austausch in dieser großen Altersspanne war faszinierend. Wir haben uns monatlich getroffen und hatten für jedes Treffen ein Arbeitsthema, das wir durchgearbeitet,  danach geschrieben, vorgelesen und diskutiert haben. Wir haben Lesungen veranstaltet und Ausschreibungen gemacht, bei denen auch Bücher herauskamen (Das Letzte "Samt und spitze Dornen" Rosentexte hat mich dann 2005 zur Verlegerin gemacht). 

Helga König: Was hat Sie motiviert, im Jahre 2005 Ihren eigenen Verlag zu gründen? 

 Christine Brendle
Verlegerin
Christine Brendle: Genau das, was ich soeben erwähnte. Der Titel "Samt und spitze Dornen" machte mich zur Verlegerin. Schnell habe ich eine gute Infrastruktur aufgebaut und mich mit allen Großhändlern verbündet. 

Helga König: Worauf achten Sie besonders, bei den Büchern, die Sie verlegen? 

Christine Brendle: Die Sprache ist mir wichtig, aber auch der Inhalt. Ohne Inhalt ist die Sprache nur Glitzer, der im ersten Moment blenden kann. Die Texte sollten Gültigkeit haben, nicht nur für wenige Monate Interesse finden. Die Geschichten sollen inspirieren, ein Echo hinterlassen - geliebt werden, weil man sich darin findet und Vertrautes entdeckt, andererseits Neues, das mein Leben bereichert …

 Helga König
Helga König: Was muss ein gutes Lektorat leisten, damit das Buch auf dem Markt eine Chance hat?

Christine Brendle: Das Lektorat muss beachten, ob ein Text logisch und stimmig ist, ob sich nicht Namensfehler oder Ähnliches eingeschlichen haben oder falsche Ortsangaben, auch ob der Autor sagt, was er meint und ob er meint, was er sagt ;-)  Auch muss die Sprache auf dem Punkt gebracht sein. Sprachbilder müssen stimmen. Ein Text darf nicht redundant sein - also auch nicht geschwätzig Er soll dem Leser noch Raum lassen für eigene Bilder. Ein guter Text ist wie ein Maschendraht, in den der Leser noch seine Bilder und Gedanken einflechten kann.

Helga König: Sollte das Cover eines Buches neben dem Inhalt immer auch den Zeitgeist spiegeln?

Christine Brendle: Für mich muss das Cover zum Inhalt passen - auch zur Zeit, in der der Inhalt spielt. Es soll ästhetisch sein, man soll es gern betrachten und auch das Cover soll Raum lassen und die Fantasie anregen (also nicht alles verraten). 

Helga König: Haben Sie mit Ihren Verlagspublikationen spezielle Leserzielgruppen im Auge?

 Christine Brendle
Christine Brendle: Ich möchte Leser, die anspruchsvoller Kost gewachsen sind, keine fast-food-Leser. Zudem möchte ich Leser, die über einen schönen Satz in Entzücken geraten, das genießen wie eine köstliche Speise, Leser, die mit Lehrstellen etwas anfangen können, die mit dem Text in einen Dialog treten, in ein Gespräch. 

Helga König: Welche Voraussetzungen müssen Autoren mitbringen, damit deren Texte in Ihrem Verlag verlegt werden? 

Christine Brendle: Sie müssen natürlich gut schreiben können und zwar Texte wie oben geschildert … Sie sollen Freude am Beruf des Autors haben, offen sein, auf Menschen zugehen können, gerne auch dem (potentiellen) Leser begegnen. Sie sollen Menschen begeistern können, mit ihren Texten, aber auch in der persönlichen Begegnung. Ein neues Buch ist für mich wie ein neugeborenes Kind, das müssen alle, Verlag und Autor gemeinsam ins Leben begleiten. 

 Helga König
Helga König: Werden Ihre Autoren von Ihnen gecoacht, was ihr Auftreten bei Lesungen anbelangt?

Christine Brendle:  Mir ist es wichtig, zu den Autoren einen guten Kontakt zu haben. Ich wünsche mir auch regelmäßige Gespräche und in Zukunft sogar auch Autorentreffen 1 - 2 mal im Jahr, damit aus Einzelkämpfern Teamplayer werden.  Das hilft  gerade Neuautoren am Beginn einer Autorenlaufbahn. Autoren kommen ja aus allen Berufen und bringen demnach viel unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen mit. Ich erwarte also,  Engagement und Bereitschaft dazu. Sonst hat ein neues Buch, ein neuer Autor heute keine Chance mehr. Es gibt zu viele, die sich auf dem Markt drängeln. Da zählen also hohe Qualität und kompetente Autorenpersönlichkeiten. 

Helga König: Welche Erwartungshaltungen haben Sie an Autoren in Zeiten von Selbstvermarktung?

 Christine Brendle
Christine  Brendle: Dass sie sich für ihr Buch einbringen. Dass sie ihre Persönlichkeit entfalten.  Dazu erhalten sie viel Unterstützung, Anregungen und auch Werbematerial z. B. Postkarten mit dem Cover  ihres Buches. 

Helga König: Ihrer Website ist zu entnehmen, dass Sie derzeit keine Manuskripte annehmen, weil Sie ausgelastet sind. Eine solch faire Aussage ehrt Sie, weil Sie auf diese Weise keine falschen Hoffnungen wecken. Wann dürfen potentielle Manuskripteinreicher hoffen, dass Sie zukünftig wieder ein O. k. bekommen? 

Christine Brendle: Neuautoren kosten sehr viel Einsatz, Engagement und Zeit. Mir geht es nicht um Masse, sondern Klasse, sowohl in Bezug auf den Text als auch die Autorenpersönlichkeit. Man muss konstruktiv auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Ich mache lieber weniger, aber sorgfältig ausgewählte Bücher und arbeite bevorzugt mit motivierten und aufgeschlossenen Autoren, die sich gern auch einbringen, froh sind,  unterstützt zu werden und auch gern das Team selbst unterstützen. Ich denke hier durchaus auch an Lesungen zu zweit oder auch mehreren. 

 Helga König
Helga König: Sind Sie in den sozialen Netzwerken aktiv. Welche Ziele verfolgen Sie dort? 

Christine Brendle: In den sozialen Netzwerken bin ich sehr aktiv. Es ist eine tolle Möglichkeit,  mit Menschen in Kontakt zu treten, auch mit potentiellen Lesern. Aber natürlich findet hier auch Sprache und Austausch statt, was ja irgendwie ebenfalls mit Literatur zu tun hat.;-) Neue Technologien haben mich stets begeistert. Deshalb bin ich ihnen gegenüber auch aufgeschlossen. Ich sehe darin in erster Linie viele Chancen und Möglichkeiten. 

Helga König: Können Sie sich vorstellen, im Internet neue Wege zu gehen, um auf diese Weise lange vor dem Einreichen von Manuskripten mehr über potentielle Verlagsautoren in Erfahrung zu bringen, beispielsweise, ob Sie sich gut vermarkten können ohne dabei marktschreierisch aufzutreten? 

Christine Brendle: Ich recherchiere schon zunehmend auch im Netz, wie ein Autor dort vertreten ist. Wer gar nicht vertreten ist, ist später schwer zu bewegen, damit anzufangen. Wer nicht im Netz ist, wird öffentlich nicht wahrgenommen. Ver-öffent-lichen ist eine öffentliche Angelegenheit und man muss bereit sein, als Autor öffentlich zu sein. (Das Privatleben ist damit  nicht gemeint. Ich hätte nie ein Bild meiner Kinder oder Enkel veröffentlicht.) Ich bin nicht für Entblößung, aber die Bereitschaft öffentlich, sich als Persönlichkeit und Mensch den Menschen und auch Lesern zu zeigen und mit ihnen in Kontakt zu treten. 

Helga König: Gibt es ein spezielles Buch, das Sie den Lesern von "Buch, Kultur und Lifestyle" empfehlen, um zu erfahren, auf welchem Niveau Ihre Verlagsprodukte angesiedelt sind? 

Christine Brendle: Das ist nun eine ganz schwere Frage. Ich liebe ja alle Bücher die ich mache, die Neuesten sind mir dabei sicher besonders am Herzen: 

Da ist das Buch der jungen quirligen tapferen Kämpferin Inka Nisinbaum, der man bei der Geburt maximal vier Lebensjahre prognostizierte, da sie mit der Stoffwechselkrankheit Mucoviszidose geboren ist. Heute ist sie 38 Jahre, hat eine Doppeltransplantation überstanden, ihr Studium abgeschlossen, geheiratet und hat im Dezember 2013 einen kleinen gesunden Jungen geboren. Diesen Weg schildert sie mutig, tapfer, humorvoll in ihrem Buch: "Ich bin noch da". Es ist und war für mich immer ein Mutmacher-Buch, das einem auf unterhaltsame Art an die Hand und mit auf die Reise nimmt durch diesen dramatischen und turbulenten Lebensweg. 

Die letzten zwei Bücher sind mir unmittelbar hintereinander ins Haus geschneit und sofort sind mir die Parallelen aufgefallen, der Protest der Jugend im Westen 1977 in Form der RAF und nur wenige Jahre danach im Osten wo die Jugend um 1984 in Form von Punkrock auf das Establishment reagiert und sich dagegen aufgelehnt hat. Zugrunde liegt die wahre Geschichte des Punkrockers "Otze" Ehrlich und seiner Gruppe Schleimkeim, den die Autorin persönlich gekannt hat. Titel: "Die Wahrheit ist anders" von Andrea Berwing.   Das andere Buch "Der jüngere Bruder" von Uwe Prell spielt im Schwarzwald, wo der Autor auch geboren und aufgewachsen ist. Es ist der Ort. wo Buback lebte und 1977 ermordet wurde. Geschildert wird wie die Kindheit und Jugend der Tätergeneration war und damit auch das schaffige Wiederaufbauen und sonstige Schweigen der Nachkriegsgeneration. 

Mir hat es auf erschütternde Weise gezeigt, wie früh Jungs damals Machtkämpfe ums Sagen-haben ausfochten. Wie sie bereits Strategien entwickelten,  andere auszubooten, wie sehr der Frust und das Ausgeliefertsein, sich in Flucht- und Racheversuchen bis hin zu roher Gewalt versucht Entlastung zu verschaffen. Beide Bücher sind in extrem unterschiedlicher aber wunderbarer auf den Punkt treffender Sprache geschrieben, die Bilderexplosionen im Kopf eines Lesers erzeugt, die  ihn nicht so schnell wieder loslassen. 

Liebe Christine Brendle, ich  danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

Anbei der Link zum  C.M. Brendle  Verlag:

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