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Helga König im Gespräch mit Dr. Notker Wolf OSB über sein Buch "Schluss mit der Angst" - Herder

Lieber Dr. Notker Wolf OSB,  Sie wurden 1977 zum Erzabt der Benediktinerabtei St. Ottilien gewählt und waren von 2000 bis 2016 als Abtprimas der höchste Repräsentant des Benediktinerordens mit über 800 Klöstern und Abteien weltweit.

Jetzt haben Sie gerade ein neues Buch geschrieben, das ich auf  "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. habe. Dazu möchte ich Ihnen einige Fragen stellen.

Hier der Link zur Rezension Ihres Buches: "Schluss mit der Angst"

Helga König:  Wie definieren Sie Angst und grenzen diese von Furcht ab?

 Dr. Notker Wolf OSB
c: Feedback
Dr. Notker Wolf OSB: Furcht ist immer etwas Konkretes. Ich befürchte, beim Examen durchzufallen; ich fürchte mich vor der Diagnose des Arztes, wenn ich krank bin. Ich habe aber Angst, eines Tages jemanden mit dem Auto anzufahren oder gar zu überfahren, ich weiß nicht wann, oder ob es passieren wird. Angst ist etwas Unbestimmtes, Diffuses. Man kommt sich vor wie in der Dunkelheit. Menschen haben Angst vor Fremden, weil das ihre Gewohnheiten in Frage stellen könnte. Angst vor allem Fremden verunsichert, und genau das macht die Angst aus: die Verunsicherung, sie ist diffus, nicht konkret festzumachen.

 Helga König
Helga König: Ist die derzeitige diffuse Angst der Deutschen etwas, was mit "typisch deutscher" Mentalität zusammenhängt?

Dr. Notker Wolf OSB: Ja, wir Deutsche wollen Sicherheit, beruhend auf exakter Vorausplanung, und dann kommen plötzlich Menschen daher, die nicht eingeplant sind. Das verstört uns und bereitet Angst, weil wir auf solche Fälle nicht vorbereitet sind, Fälle, die sich nicht einplanen lassen. Es mangelt an Selbstbewusstsein, mit unbekannten Problemen fertig zu werden.

Helga König: Mangelt es den sogenannten "Wutbürgern"  Ihrer Meinung nach an Aufklärung?

Dr. Notker Wolf OSB:  Als Frau Merkel sagte "Wir schaffen es", hätte sie mit ihren Leuten auch überlegen und sagen müssen, wie wir es schaffen. Aber man kann ein Problem nicht lösen, bevor es da ist.

Helga König: Könnte Aufklärung die diffuse Angst von "Wutbürgern" minimieren oder benötigt man andere Maßnahmen, um besagt Angst aufzulösen?

Dr. Notker Wolf OSB:  Ich denke nicht; denn die "Wutbürger" haben die Sorge, die Migranten könnten zu viel Geld kosten, obwohl Herr Schäuble Milliarden im Überfluss einsteckt, oder vor Jobverlusten, obwohl wir vergleichsweise den niedrigsten Stand an Arbeitslosen haben, und die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften sucht. "Wutbürger" müssen konstatieren, dass Migration ein weltweites Phänomen ist, dass Jordanien mit ein bis zwei Millionen Flüchtlingen einen hohen Prozentsatz aufgenommen hat, dass Uganda unglaublich viele Migranten aus dem Sudan und dem Kongo aufnimmt und ihnen Grund und Boden schenkt. Aber das ist unseren "Wutbürgern" gleichgültig. Sie denken nur an Deutschland, ohne sich bewusst zu sein, dass unser Wohlstand zu einem guten Teil auf Exporten beruht. Ich achte die "Wutbürger", würde mir aber wünschen, sie dächten nicht nur an sich, sondern an die globale Einbindung Deutschlands. Der amerikanische Präsident Trump – nicht unbedingt mein Freund – pocht darauf.

Helga König: Halten Sie den Mut für die wichtigste aller Tugenden und wenn ja, weshalb?

 Dr. Notker Wolf OSB
c: Feedback
Dr. Notker Wolf OSB:  Nein, die "Mutter aller Tugenden" sagt der heilige Benedikt, ist das rechte Maß, die maßvolle Unterscheidung. Aber sie bedarf dann auch des Mutes sich dafür einzusetzen. Es braucht heutzutage Mut, sich gegen die political correctness zu stemmen, sich nicht von irgendeinem Mainstream vorschreiben zu lassen, was ich denken und tun darf. 

Helga König: Wie definieren Sie Hoffnung?

Dr. Notker Wolf OSB: Hoffnung bedeutet Vertrauen in die Zukunft. Ich weiß zwar nicht sicher, ob etwas so eintrifft, wie ich es mir wünsche, bleibe aber offen für die Überraschungen, die mir die Zukunft bringt.

 Helga König
Helga König: Welche Rolle hat die Hoffnung in ihrem Leben gespielt?

Dr. Notker Wolf OSB:  Ich habe verschiedene Projekte angepackt, das Projekt des Interreligiösen Dialogs, der Neugründung von Klöstern auf den Philippinen, in Togo, in Indien, bis hin nach China. Ich habe ein Krankenhaus in Nordkorea gebaut. All meine Projekte wurden in Frage stellt, und doch sind sie gelungen, ebenfalls die finanzielle und bauliche Sanierung unseres zentralen Klosters S. Anselmo auf dem Aventin in Rom. Der neue Strategieplan der Hochschule von S. Anselmo hat bewirkt, dass wir innerhalb von 4 Jahren von 320 StudentInnen auf 600 angewachsen sind. Hoffnung bedeutet auch das Vertrauen in die MitarbeiterInnen.

Helga  König:  Setzt Hoffnung Glauben voraus?

Dr. Notker Wolf OSB:  Natürlich spielt der Glaube an meine Berufung eine große Rolle. Gott hat mich herausgefordert, diesen Job als Erzabt von St. Ottilien und dann als Repräsentant des ganzen Ordens zu übernehmen. Gott vertraut mir, und ich vertraue ihm. Das macht den Glauben aus.

Helga König: Wie könnten wir Grundvertrauen ins Leben erlangen und wie könnten es selbst "Wutbürger" schaffen?

Dr. Notker  Wolf OSB: Das Grundvertrauen wird dem Menschen in seiner Kindheit mitgegeben, wenn ein Kind wirklich angenommen und bejaht wird. Ich habe heute einen Vater erlebt, der auf seinem Bauch lag und mit seinen drei Kindern spielte. Hier erleben Kinder Vertrauen und Anerkennung. Wenn ich im Flugzeug sitze, Kinder quäken, wegen der Schmerzen in den Ohren und Stewardessen sich wegen des Lärms entschuldigen, sage ich ihnen: Keine Sorge, das ist ein Zeichen des Lebens, und mache Faxen, damit die Kinder lachen und der Schmerz in den Ohren vergeht. "Wutbürger" brauchen mehr Selbstbewusstsein und Großzügigkeit.

Helga König: Wie wichtig ist Toleranz, um sich diffuser Ängste unserer Zeit zu entledigen und wie wichtig ist es in diesem Zusammenhang die Menschenliebe?

 Dr. Notker Wolf OSB
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Dr. Notker Wolf OSB:  Toleranz bedeutet, die Meinung des anderen zu achten und die Achtung für die eigene Überzeugung einzufordern. Das mag anderen nicht passen, aber wir haben darauf zu insistieren. Dabei sollten wir bedenken: Gott hat uns Menschen geschaffen, er liebt sie. Warum sollten wir sie nicht auch lieben?

Lieber Dr. Notker Wolf OSB, ich danke Ihnen herzlichst für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

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